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ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Creutzfeldt-Jacob: Infektion erfolgt über Immunzellen  
  Wichtige Erkenntnis rund um Prionen-Erkrankungen wie Creutzfeldt-Jacob, BSE und ähnliche Leiden: Deutsche und Schweizer Wissenschaftler haben entdeckt, dass die krank machenden Proteine offenbar Zellen des Immunsystems benutzen, um sich im Körper zu verbreiten. Damit lassen sich auch die unterschiedlich langen Inkubationszeiten erklären.  
Eine zweite soeben erschienene Publikation von amerikanischen Forschern zeigt, dass offensichtlich gewisse RNA-Moleküle am Vermehrungsprozess der schädlichen Prion-Proteine beteiligt sind.
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Die Studie "Positioning of follicular dendritic cells within the spleen controls prion neuroinvasion" des deutsch-schweizerischen Teams um Marco Prinz, Adriano Aguzzi und Mitarbeiter erschien als Online-Publikation auf der Website des Fachmagazins "Nature" (doi:10.1038/nature02072).
->   Abstract des Artikels in "Nature"
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Prionen vermehren sich im Immunsystem
Die Creutzfeldt-Jacob-Krankheit (CJK) ist eine Infektion, die von bestimmten Eiweißen, Prionen, ausgelöst wird. Im fortgeschrittenen Stadium zerstören die Erreger das Gehirn. Doch offenbar wird dieses nicht in jedem Fall direkt infiziert.

Prionen gelangen zumeist über die Peripherie - vermutlich über den Magen-Darm-Trakt - in den Körper und vermehren sich ausgerechnet in den Organen des Immunsystems: in den Lymphknoten, der Milz und in den Rachenmandeln.

Fatalerweise hilft den Prionen auch ein weiterer Bestandteil der Immunabwehr, das Komplementsystem, sich in diesen lymphatischen Organen anzusiedeln, wie der Schweizer Experte Adriano Aguzzi von der Züricher Universitätsklinik bereits vor einiger Zeit nachweisen konnte.
Infektion erfolgt über dendritische Zellen
Noch unklar war allerdings, wie Prionen vom Immunsystem in das Nervensystem gelangen. Die nunmehrige Erklärung: Offenbar schaffen es Prionen, die sich in der Milz angesiedelt haben, über eine weitere Gruppe von Immunzellen die Nervenbahnen zu infizieren.

Dies geschieht über die so genannten follikulären dendritischen Zellen (FDCs). Das haben jetzt Aguzzi und seine Kollegen vom Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch im Tierversuch gezeigt.
Transport ins Gehirn dauert Monate
Während die Prionen innerhalb weniger Tage nach einer Infektion bei der Maus in die lymphatischen Organe gelangen und sich dort in den FDCs vermehren können, geraten sie über periphere Nervenzellen erst nach Monaten in Gehirn oder Rückenmark.

Den Grund für diese stark verzögerte Invasion der Prionen sehen die Forscher in der räumlichen Trennung zwischen FDCs und Nervenzellen.
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Dendritische Zellen
Dendritische Zellen patrouillieren ständig durch den Körper. Mit ihren Fortsätzen fangen sie in den Körper eingedrungene fremde Substanzen (z.B. Antigene von Bakterien) auf und präsentieren sie anderen Immunzellen, um eine Abwehrreaktion in Gang zu bringen.
->   Mehr dazu (gesundheit.de)
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Rezeptor-Ausschaltung beschleunigt Infektion
Die Forscher konnten jetzt beobachten, dass sich die Prionen in Mäusen, bei denen ein bestimmtes Rezeptormolekül für einen Boten- oder Signalstoff des Immunssystems, der Chemokinrezeptor CXCR5, ausgeschaltet ist, früher in Gehirn oder Rückenmark nachweisen lassen.

Und zwar deshalb, weil sich die FDCs in diesem Fall um die Zentralarterie der Milz anlagern, wo sie in die Nähe von Nervenzellenden gelangen.
Erkenntnis erklärt variable Inkubationszeit
Je enger und häufiger dieser Kontakt, desto wahrscheinlicher ist eine Prioneninfektion der Nervenzellen, postulieren die Forscher. Je weiter die FDCs von den Nervenzellen räumlich getrennt sind, desto geringer ist offenbar eine effiziente Infektion.

Möglicherweise erklärt diese Erkenntnis auch, weshalb beim Menschen die Inkubationszeit - die Zeit von der Infektion bis zum Ausbruch der Erkrankung - etwa bei der sporadischen Creutzfeldt-Jacob-Krankheit, Jahrzehnte, bei der neuen Variante der Erkrankung hingegen nur wenige Jahre dauern kann.

Ziel der Forscher ist es jetzt, Wege zu finden, den Erreger in der Peripherie in Schach zu halten und seine Ausbreitung durch das Immunsystem sowie das periphere Nervensystem in das Gehirn zu verhindern.
Zweite Studie: Prionenvermehrung aufgeklärt
Eine weitere in "Nature" veröffentlichte Studie klärte indessen die Vermehrung der Prionproteine weiter auf.

Surachai Supattapone und seine Kollegen von der Dartmouth Medical School, USA, zeigten, dass der Gehalt von abnormalen Prionproteinen in Gewebeproben ansteigt, wenn infizierte mit nicht-infizierten Hirnteilen vermischt wurden.

Das bedeutet, dass dabei die gesunde in die erkrankte Proteinform umgewandelt wurde.
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Die Studie "RNA molecules stimulate prionprotein conversion" von Nathan R. Deleault, Surachai Supattapone und Mitarbeitern erschien im aktuellen Heft das Fachmagazins "Nature" (Band 425, S. 717-20, Ausgabe vom 16.10.03).
->   Abstract des Artikels in "Nature"
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RNA fördert Bildung abnormaler Prionen
Supattapone und Mitarbeiter zeigten außerdem, dass die Hinzugabe von RNA diesen Prozess beschleunigt. Das bedeutet jedoch nicht, dass auch RNA ein infektiöses Agens darstellt.

Die Autoren unterstützen in ihrem Aufsatz vielmehr die "Protein-only Hypothese" der Prionenkrankheiten. Sie betonen jedoch, dass RNA als so genannter Co-Faktor fungiere, der die Vermehrung der schädlichen Proteine unter gewissen Bedingungen unterstütze.
->   Universitätsspital Zürich
->   Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin
->   Dartmouth Medical School
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Desinfektionsmittel gegen Prionen vorgestellt (1.8.03)
->   Neues Mittel stoppt Entstehung von Creutzfeldt-Jacob (6.3.03)
->   BSE-Experte fordert Tests für alle Briten (2.12.02)
->   Mehr zu Creutzfeldt-Jacob im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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  sensortimecom | 16.10, 12:37
Prionen-Inaktivierung: PATENTIERT!

Siehe:
WO03077835A2: SODIUM DODECYL SULFATE COMPOSITIONS FOR INACTIVATING PRIONS
Erfinder:
PRUSINER, Stanley, B.; 2615 Divisadero Street, San Francisco, CA 94123, United States of America
SUPATTAPONE, Surachai;

Nur zwecks Information. Falls sich mal jemand wundert warum auf diesem wichtigen Forschungsgebiet zuwenig Output ist;-(

mfg Erich B. www.sensortime.com
 
 
  radiodoc | 16.10, 19:49
die Patentierung eines altbekannten Detergens
als "Desinfektionsmittel" gegen Prionen wird nicht allzuviel Auswirkungen auf die Prionenforschung haben.
  sensortimecom | 17.10, 10:41
..dürfens a bisserl mehr sein?
Es existieren mehr als 250 Patente und Patentanmeldungen, die die Forschung auf diesem Gebiet betreffen.
Viele davon sind viel wichtiger als die o.g. WIPO-Anmeldung.

z.B.

US6620629: Method for detecting prions

Determining the strain of prion in a sample, by determining the amount of total modified isoform of cellular prion protein, treatment-sensitive and treatment-resistant prions in the sample, and comparing their relative amounts ...
(PRUSINER, Stanley, B)

Auf Wunsch kann ich alle hier reinposten.
Kein Problem.

mfg Erich B.
  radiodoc | 17.10, 12:00
nein danke, nicht nötig
aber was ist der Sinn dieser Patente?
Die wären doch nur bei kommerzieller Nutzung von Belang? Die Grundlagenforschung wird doch dadurch nicht berührt?
  sensortimecom | 17.10, 15:50
@radiodoc
Hallo.

Natürlich kann die Uni-Forschung durch bestehende Patente nicht unmittelbar "verboten" werden.

Aber dennoch gibts Probleme en masse.
Schon bei der Veröffentlichung einer Diplom- oder Doktorarbeit auf betreffendem Gebiet, wo einer Literaturverweise beachten muss und seine Arbeit exakt am bestehenden Patent abzugrenzen hat. Das ist bei Patenten schon mal viel schwieriger als z.B. bei Veröffentlichungen in
wissensch. Zeitschriften, wo nur das Urheberrecht zu beachten ist. Das Patentrecht greift VIEL TIEFER als das Urheberrecht.

Das andere Problem:
Uni-Forschung muss ja auch finanziert werden. Nun, wer finanziert gerne eine Forschung, wenn er weiß, dass Patente entgegenstehen, und dass das Forschungsresultat anschließend NICHT im eigenen Land verwertet bzw. vermarktet werden kann....

Ich bin eigenlich immer wieder erstaunt und entsetzt, wie wenig hier verantwortliche Leute vom Patentwesen wissen...

mfg Erich B. www.sensortime.com
 
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