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DNA-Pionier Crick: Umstrittene Gehirn-Thesen  
  Im Jahr 1953 klärte Francis Crick gemeinsam mit James Watson und Rosalinde Franklin die Struktur der DNA auf. Knapp vor dem runden Geburtstag im April lässt Crick nun mit Thesen zu einer ganz anderen Disziplin aufhorchen - der Neurowissenschaft. Der Gen-Pionier hält sie für ebenso wichtig wie seine Arbeiten zur DNA und plädiert für das unter Kollegen umstrittene "Homunculus"-Konzept, das bestimmten Körperarealen spezifische Gehirnareale zuordnet.  
Gemeinsam mit dem Neuroinformatiker Christof Koch entwirft er ein Gehirnmodell, das nicht nur als Rahmen für den "state of the art" der Neurowissenschaften dienen soll, sondern ebenso zukunftsweisend sein soll wie die Struktur der DNA.

Die meisten der vorgestellten Ideen seien bereits von anderen Autoren vorgeschlagen worden, die Kombination sei aber original. Ihr Kommentar ist in "Nature Neuroscience" erschienen.
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"A framework for consciousness"
Der Kommentar "A framework for consciousness" von Francis Crick und Christof Koch ist in der aktuellen Ausgabe von "Nature Neuroscience" (Bd 6, Nr. 2, S. 119-126) erschienen.
->   Zum Original-Abstract
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Neurologie, Philosophie, Psychologie unter einem Hut?
Was Crick und Koch in ihrem Artikel vorhaben, ist ein recht ambitioniertes Projekt: "Zum ersten Mal", so schreiben sie, gebe es nun "ein kohärentes Schema für die neuronalen Korrelate des Bewusstseins sowohl in philosophischer als auch in psychologischer und neuronaler Hinsicht".

Sie stellen einen Rahmen oder Entwurf auf (framework), mit Hilfe dessen sich die Tausenden neurowissenschaftlichen Einzelstudien einordnen lassen sollen.

Ihren Entwurf vergleichen sie mit der vor fünfzig Jahren aufgeklärten Doppel-Helix-Struktur der Desoxyribonukleinsäure (DNA), die neue Einsichten in die Natur der Zusammensetzung und Replikation von Genen gegeben habe: Ähnlich könnten auch ihre Ansichten zum Bewusstsein als Rahmen dienen, der aber noch mit zahlreichen Experimenten ausgefüllt werden müsse.
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50 Jahre DNA-Struktur
Am 25. April 2003 feiert eine der denkwürdigsten Publikationen in der Geschichte der Naturwissenschaften ihren 50. Geburtstag: Vor einem halben Jahrhundert haben James Watson und Francis Crick die Struktur der DNA aufgeklärt. Aus diesem Anlass widmete "Nature" der DNA im Jänner ein eigenes Special.
->   Mehr dazu in science.ORF.at: DNA-Struktur - 50 Jahre danach
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Die Voraussetzungen
Bei ihren Überlegungen gehen Crick und Koch vom Wissensstand der aktuellen Neurowissenschaft aus; im Zentrum ihrer Überlegungen stehen experimentelle Daten über das visuelle System im Gehirn von Primaten, psychologische Studien über das menschliche Verhalten und Studien über die Auswirkungen bestimmter Gehirnverletzungen.

Wesentlicher Bestandteil der Arbeit ist die Frage, wie sich temporäre "Nervenkoalitionen" gegenüber anderen durchsetzen, und wie die "Gewinner" dieses Wettstreits zur bewussten Wahrnehmung führen.
Plädoyer für das Humunculus-Konzept
Sie beschreiben die verschiedenen Ebenen der Informationsverarbeitung: von Proteinen und Genen auf molekularem Niveau über die elektrischen Entladungen in den Nervennetzen bis zu den funktionalen Teilungen unterschiedlicher Gehirnregionen.

Ihren Entwurf unterteilen sie in zehn Abschnitte - gleich der erste scheint umstritten: ein Plädoyer für das Humunculus-Konzept des Gehirns, das "heute ziemlich aus der Mode gekommen ist", wie sie schreiben. Ein Konzept, das davon ausgeht, dass bestimmte Gehirnareale bestimmte Körperteile repräsentieren.
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Das Homunculus-Konzept
Homunculus (lat. "Menschlein") bezeichnet in Alchemie und Literatur (z.B. Faust II) einen auf künstlichem Weg hergestellten Menschen. In der Neurowissenschaft steht es für die Zuordnung von motorischen und sensorischen Arealen der Großhirnrinde des Menschen zu bestimmten Körperteilen. Das von den Neurophysiologen Wilder Graves Penfield und Theodore Rasmussen um 1950 aufgestellte Konzept ist Ausdruck einer funktionellen Architektonik der Großhirnrinde. Vor und hinter der Zentralfurche kann man demzufolge die Repräsentation des Körpers punktuell genau darstellen - das Bild des Homunculus, des "Menschleins", hat seine Entsprechung im Kortex (Hirnrinde).

Neurophysiologisch bedeutet dies, dass das Gehirn im Normalfall das Körperschema "erkennen" kann, und die Verbindungen zwischen Gehirn und Körperteilen hergestellt werden können. Der Neurophysiologe Oliver Sacks bezeichnet dies als "Gnosis" - das Gehirn erkennt den Körper. Neuere Untersuchungen gehen davon aus, dass es mehrere zentrale Repräsentationen somatischer Funktionen (mit unterschiedlichen "Homunculi") gibt.
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Berufung auf Common Sense
Während zahlreiche Neurobiologen heute zu einem dezentralen Modell tendieren, unterstreichen Crick und Koch das Humunculus-Konzept des Bewusstseins.

In guter angelsächsischer Tradition des Common Sense argumentieren sie, dass dies die Art ist, "wie alle über sich denken. Es wäre überraschend, wenn diese überwältigende Illusion nicht in irgendeiner Weise die generelle Organisation des Gehirns reflektieren würde."
Zombiemodus vs. bewusste Wahrnehmung
Dabei bleibt es aber natürlich nicht: Bestimmte Teile des Gehirns, so argumentieren sie weiter, repräsentieren nicht die Außenwelt, sondern andere Hirnregionen.

Am Beispiel visueller Reize unterscheiden sie einen "evolutionär sehr vorteilhaften", vorbewussten "Zombiemodus" des Gehirns, der es erlaube, sehr schnell und immer gleich zu reagieren, von einem langsameren und reflektierten - jenem der bewussten Wahrnehmung.

Damit aus den Impulsen im "Zombiemodus", die ständig aus der Außenwelt einfließen, Bewusstsein entstehen könne, müssten sich temporäre neuronale Koalitionen gegen andere durchsetzen. Während sich im "Zombiemodus" die Impulse im neuronalen Verband ausbreiten, vergleichen Crick und Koch die Vorgänge der bewussten Wahrnehmung mit einer "stehenden Netzwelle", die in beide Richtungen fließen könne.
"Halbschatten" neuronaler Aktivitäten
Im Gehirn, so die beiden Forscher, existiere ein bevorzugter Ort des (visuellen) Bewusstseins - "seine tatsächlichen neuronalen Korrelate befinden sich unter einer nur geringen Anzahl von Nervenzellen im hinteren Cortex".

Dieser Teil, gleichsam ein "Homunculus zweiter Ordnung", sei von einem "Halbschatten" (penumbra) von neuronalen Aktivitäten umgeben, der seinerseits nicht selbst bewusst ist.

Damit nähern sich Crick und Koch in gewisser Weise philosophischen Annahmen, wonach es ein Zentrum, eine "Bühne des Bewusstseins" (Descartes) gebe.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   Homepage Christof Koch
->   Biographie Francis Crick (Nobel-Stiftung)
Mehr über Gehirnforschung in science.ORF.at
->   Wie entsteht die Welt im Kopf?
->   Psychoanalyse im Dialog der Wissenschaften
->   Neue Einblicke in das menschliche Gehirn
->   Einzelne Neuronen steuern die Wahrnehmung
 
 
 
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  anarchy23 | 03.02, 17:30
Hr Crick
hätte lieber darauf hinweisen sollen, dass er Rosalinde Franklin die Röntgenstruktur der DNA und damit den Nobelpreis 'gestohlen` hat. Aber auch 50 Jahre später spricht man nicht gerne über Sexismus in der Wissenschaft, nichteinmal an dieser Stelle, obwohl das wohl eines der populärsten Beispiele für die unterdrückung der Frauen in der Wissenschaft ist.
 
 
  sensortimecom | 03.02, 09:29
Zombiemodus = Unterbewusstsein
Wenn sie die herkömmliche Bezeichnung wählten, so würden sie sich verständlicher ausdrücken...

Wieder mal Geld für "Forschungsergebnisse" kassiert, die schon lange bekannt sind?
 
 
  nommo | 03.02, 16:35
Was Boxer Reflex nennen?
Habe mich nach kritischen Situationen im Straßenverkehr oder Boxsport oft über meine richtige Reaktion "gewundert". Als "unbewusst" würde ich dabei nur den Entscheidungsprozess bezeichnen. Denn was geschieht (bzw. was ich tue), das sehe ich sogar extrem bewusst. Zombiemodus passt vielleicht für das, was die "Spanische Fliege" den Kakerlaken antut.
  allgeier | 03.02, 19:23
tja, vielleicht ist Crick nie auf irgendeine Art sportlich gewesen (siehe auch: anarchy23).
Dieser Satz von mir ist allerdings ein Regelverstoß in strenger Diskussion, man sollte nur gegen die These argumentieren, nicht gegen die Person...
;-)
 
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