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Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Gentechnik und die "Grenzen der Wissenschaft"  
  Embryonale Stammzellen, therapeutisches Klonen, Präimplantationsdiagnostik: Die Diskussion über die Lebenswissenschaften ist von zahlreichen Schlagwörtern geprägt, die der Biologe und langjährige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft Hubert Markl in seinem kürzlich erschienenen Buch "Schöner neuer Mensch?" einer kritischen Analyse unterzieht. Dabei wird von Markl, der selbst medienwirksam und pointiert die Debatten über Biologie und Medizin mitgeprägt hat, immer wieder die Frage nach den selbst gesetzten Grenzen wissenschaftlicher Verantwortung gestellt. Der Wiener Genetiker Markus Hengstschläger empfiehlt die Lektüre und hat dazu für science.ORF.at einen Gastkommentar verfasst.  
"... An die Allmacht der Gene scheinen heute eher die Philosophen als die Biologen zu glauben ..."
von Markus Hengstschläger

Der Mensch ist nicht auf seine Gene reduzierbar. "Gene beeinflussen fast jede daraufhin untersuchte Verhaltensweise und Verhaltensneigung. Aber je mehr die Wissenschaft über die Wirkung von Genen auf Verhaltenseigenschaften lernt, umso mehr beweist sie die große Bedeutung der Freiheit für deren Entfaltung unter dem Einfluss kulturell-sozialer Entwicklungsbedingungen, aber nicht weniger auf der Grundlage individuell selbst zu gestaltender und zu verantwortender Lebensführung."

Eine logische Konsequenz daraus ist die Empfehlung der Abstandnahme von der Terminologie "Ein Gen für..." für all die überwiegenden Fälle menschlicher Eigenschaften, für die es eben kein einzelnes Gen gibt. Solch eine Empfehlung ist zu finden in dem soeben im Piper-Verlag erschienenen Buch "Schöner neuer Mensch?" von Hubert Markl.
->   Das Buch im Piper Verlag
Absage an biologischen Determinismus
Der Biologe Markl, der in den Jahren 1986 bis 1991 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und 1996 bis 2002 Präsident der Max-Planck-Gesellschaft war, erteilt dem reinen biologischen Determinismus noch in einem anderen Zusammenhang eine Abfuhr: Bei der Frage nach dem Beginn individuellen menschlichen Lebens.

Rein biologisch-faktisch, so Markl, ist diese Frage nicht zu beantworten, da man auch mit molekularbiologischen Analysemethoden einer menschlichen Zygote (direkt nach der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle) oder einer Blastozyste (eine Reihe von Zellteilungen danach) oder einem Embryo oder sogar einem Fötus nicht ansieht, ob ihm schon oder noch nicht Menschenwürde und Menschenrechte zukommen.
Die "Kulturmenschwerdung"
Diese kann ihnen nur eine menschliche Rechtsgemeinschaft (Verständigungsgemeinschaft) zusprechen und durch formuliertes Gesetz zuschreiben. Markl hat für sich diese Frage geklärt: "Eine menschliche Zygote ohne Einbindung in eine soziale Beziehungs- und Traditionsgemeinschaft ist allenfalls ein schwerlich lebensfähiges Individuum der Spezies Homo sapiens, aber kein Mensch.

Das Primärereignis der "Kulturmenschwerdung ist die Aufnahme des Menschenkeims durch den mütterlichen Organismus bei der Einnistung des etwa zwei Wochen alten Embryos im Uterus einer Frau."
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Verantwortung der Wissenschaft
Da es sich bei dieser Neuerscheinung um eine Sammlung von Vorträgen, Ansprachen oder bereits früher veröffentlichter Artikeln des Autors handelt, ist dieses Argument in all seinen Facetten und in den verschiedensten Zusammenhängen immer wieder wiederholt im Buch anzutreffen.

Ob im Zusammenhang mit Erläuterungen zum Human-Genomprojekt, zum Klonen, zur Stammzellforschung, zur Definitionsfalle in der Bioethik, zur "Gene versus Umwelt"-Frage, oder gar zum Nazirassismus und der Mitschuld von leitenden Wissenschaftlern der Max-Planck-Gesellschaft, die bis zum Ende des zweiten Weltkriegs in überwiegender Zahl Wissenschaftler der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft waren. Ein Markl Zitat zu letzterem: "Die ehrlichste Art der Entschuldigung ist das Offenlegen der Schuld."
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Präimplantationsdiagnostik und "therapeutisches Klonen"
Das "Einnistungsargument" mündet bei Hubert Markl konsequenterweise in eine liberale Haltung gegenüber der Präimplantationsdiagnostik, der embryonalen Stammzellforschung und dem so genannten "therapeutischen Klonen" mit dem zukünftigen Ziel der Entwicklung abstoßungsfreier Stammzelltherapien.

Markl reiht sich aber gleichzeitig mit seinem "Nein" zu Eingriffen in die menschliche Keimbahn und zum "reproduktiven Klonen" eines menschlichen Individuums als ein Glied in eine, die (fast) gesamte wissenschaftliche Welt verbindende, Kette ein.
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Zwei argumentative Lager
Gemeinsam mit dem Autor ortet man also zwei argumentative Lager: 1) Jene, die dem menschlichen Embryo vom Zeitpunkt der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle den uneingeschränkten Status eines Menschen mit allen verfassungsgemäßen Schutzrechten und den entsprechenden Schutzpflichten staatlichen Handelns zuschreiben; und 2) die anderen, die den Beginn von Menschsein mit Menschrechten erst bei der Einnistung sehen.
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Zur Lektüre empfohlen
Lediglich die Frage, ob es nicht noch eine Reihe anderer Lager gibt, muss man sich stellen dürfen. Denn bekanntlich ist eine pluralistische Gesellschaft inklusive ihrer Wissenschaftler, die laut Markl heute unter dem Druck von "publish or perish" beziehungsweise "apply or die" stehen, stets in der Lage, für eine Frage unzählige Antworten zu suchen und zu finden.

Beim Lesen dieses Buches wird man daran erinnert, wie wichtig es ist für seinen persönlichen Standpunkt, gute Argumente zu suchen und zu finden. Hubert Markls Argumente sind in diesem Buch nachzulesen, von höchstem wissenschaftlichen Niveau und für jedermann verständlich aufgearbeitet.
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Gastkommentar
Markus Hengstschläger, der Autor dieses Gastkommentars, ist Professor an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Abt. für Pränatale Diagnostik und Therapie des Allgemeinen Krankenhauses in Wien. Im Verlag Wilhelm Maudrich ist kürzlich sein Buch "Das ungeborenene menschliche Leben und die moderne Biomedizin. Was kann man, was darf man?" erschienen.
->   Weitere Gastkommentare von Markus Hengstschläger für science.ORF.at
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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima .  Medizin und Gesundheit 
 
  dietmar13 | 25.09, 22:03

"An die Allmacht der Gene scheinen heute eher die Philosophen als die Biologen zu glauben"
DIE philosophen sicher nicht, sondern höchstens ein paar, die die philosophie (oder/und die biologie) wohl nicht ganz verstanden haben.
und ethische bedenken bzgl. PGD haben weniger mit der menschenwürde oder schutzwürdigkeit der befruchteten eizellen zu tun (die mir relativ wenig schutzwürdig erscheint), als mit dem rattenschwanz der ethischen und juristischen probleme die nach einer PGD auftreten können. nur ein beispiel: jetzt kann man seine eltern wegen vieler dinge verantwortlich machen, aber sicher nicht wegen den genetischen voraussetzungen mit denen wir leben müssen. anders wenn PGD bereits standard wäre. ivf-nachkommen haben dann erstmals die möglichkeit (und wohl auch das recht?) BEGRÜNDET ihre eltern wegen nicht passender genetischer voraussetzungen zur verantwortung zu ziehen. man hätte ja bereits nach der befruchtung erkenne können (und müssen), daß z.b. die 'fettsucht' oder (angeblich) die geringere intelligenz unausweichlich ist, warum wurde ich dann eingesetzt?
 
 
  sensortimecom | 26.09, 09:31
Ethische und juristische Probleme
Hier gebe ich völlig recht... Die Menschheit wird völlig unvorbereitet von diesen Problemen betroffen werden.
Öffentliche Diskussionen und Transparenz täten not.
  blitzky | 27.08, 23:17
Da ich dem Rechnungshof mehr vertraue als dem ORF....
gehe ich davon aus, dass eine Bündelung der österreichischen Forschungsförderung ein brennheißes Anliegen ist. Nach der Meinung des Rechnungshofes wäre hier "locker 1 Milliarde Euro einzusparen". Dass die Gegnerschaft gegen Reichholds Pläne gewaltig ist, darf angesichts dieser Summe nicht verwundern. Von diesen unzähligen Zweigleisigkeiten haben offenkundig nicht wenige bisher wie die Maden im Speck gelebt. Es ist für mich verwunderlich, dass in diesem ORF-Beitrag der Rechnungshof-Bericht nur in einer Fußnote erwähnt wird, die mauernden STellungnahmen diverser Politiker und Profiteure des bisherigen Systems aber ausführlichst wiedergegeben werden. Wo bleibt hier eine ausgewogene Berichterstattung?
 
 
 
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