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Netzhaut: "Richtungszellen" wählen Lichtreize aktiv aus  
  Bereits im Jahr 1964 entdeckte man in der Netzhaut von Wirbeltieren richtungsspezifische Nervenzellen, die nur dann aktiv werden, wenn ein Lichtreiz eine ganz bestimmte Bewegung vollzieht. Diese Entdeckung bewies, dass die Netzhaut Informationen nicht passiv weiterleitet, sondern Lichtreize aktiv auswählt und ordnet. Wie sie dies bewerkstelligt, war bis vor kurzem völlig unklar. Ein deutsch-amerikanisches Wissenschaftlerteam konnte das Rätsel nun lösen: So genannte "starburst"-Amakrinzellen fungieren als zelluläre Mini-Computer, indem sie einen Code für die räumliche Orientierung optischer Signale erstellen.  
Forscher der Max-Planck-Gesellschaft und der University of Washington gelangen mittels eines neuen bildgebenden Verfahrens faszinierende Einblicke in die Funktionsweise von Auge und Gehirn.

Wie sie in einer Online-Publikation des Wissenschaftsmagazins "Nature" berichten, konnten sie durch die so genannte Multiquanten-Mikroskopie nachweisen, dass in der Netzhaut von Kaninchen spezielle Zellen als Richtungsdetektoren aktiv sind.
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"Directionally selective signals in amacrine cells"
Die Studie "Directionally selective calcium signals in dendrites of starburst amacrine cells" von Thomas Euler und Mitarbeitern erschien als Online Publikation auf der Website des Wissenschaftsmagazins "Nature" und wird in der nächsten Printausgabe der Zeitschrift veröffentlicht.
->   Zum Artikel (kostenpflichtig)
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Die Netzhaut als Filter
Im Jahr 1964 entdeckte eine Forschergruppe der Universität Cambridge, dass es in der Netzhaut von Kaninchen Ganglien-Zellen gibt, die dann - und nur dann - antworten, wenn sich ein im Auge abgebildetes Muster in eine bestimmte Richtung bewegt.

Dies ließ den Schluss zu, dass bereits in der Retina komplexe Verarbeitungsmechanismen von Lichtsignalen stattfinden. Anders ausgedrückt: Bevor optische Informationen von den lichtempfindlichen Sinneszellen in die Sehzentren des Gehirns gelangen, haben diese bereits einen hochspezifischen Reizfilter durchlaufen.
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Biologie der Netzhaut
Die Netzhaut oder Retina ist ein 0,2 bis 0,5 Millimeter dickes, aus mehreren Schichten aufgebautes Häutchen, das die Innenfläche des hinteren Augenballs auskleidet. Aus Sicht der Entwicklungsbiologie gehört die Netzhaut zum Zwischenhirn und ist daher ein Teil des Zentralnervensystems.

Anatomisch betrachtet besteht die Netzhaut nicht nur aus Photorezeptoren (Stäbchen und Zäpfchen) sondern auch aus einer Vielzahl anderer Zelltypen, wie z.B. Bipolar-, Müller-, Amakrin- und Ganglien-Zellen.
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Welche Zellen berechnen die Richtungs-Signale?
Es dauerte allerdings knapp 40 Jahre, bis man aufklären konnte, auf welche Weise die Retina die notwendigen Berechnungen zur Vorverarbeitung der Sinnesreize vornimmt. Im Prinzip gibt es zu diesem Problem zwei Lösungsansätze:

Entweder die Ganglien-Zellen errechnen dieses Signal selbst - oder sie erhalten das richtungsspezifische Signal von anderen Neuronen. Die Arbeitsgruppe um Thomas Euler, den Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung, konnte nun nachweisen, dass letzteres der Fall ist.
Verdachtsfall Amakrinzellen
Schon seit längerer Zeit hatte man die so genannten "starburst"-Amakrinzellen für die postulierte Funktion im Verdacht, da diese Signale an die richtungsspezifischen Ganglien-Zellen weiterleiten. Zwei Sachverhalte standen einer positiven Überprüfung dieser Hypothese bislang im Wege:

Erstens erwiesen sich die elektrischen Aktivitäten besagter Amakrinzellen bis jetzt als nicht richtungsspezifisch. Und zweitens fehlt diesen die primäre "Ausgangsleitung" vieler Nervenzellen, das so genannte Axon.

Die anderen Nervenfortsätze der Amakrinzellen - auch Dendriten genannt - sind so fein, dass an ihnen die üblichen elektrophysiologischen Experimente nicht durchgeführt werden können.
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Amakrinzellen
Der Name dieser Zellen wurde vom spanischen Mediziner und Histologen Ramon y Cajal geprägt und bedeutet "ohne Axon". Sie gehören zur Klasse der Interneurone, da sie von anderen Neuronen Inputs erhalten und diese hemmenden oder erregenden Signale nach Verarbeitung an nachfolgende Nervenzellen weiterleiten. Morphologisch und funktionell kann man mehr als 20 Typen amakriner Zellen unterscheiden.
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Multiquanten-Mikroskopie als Lösung
Eine Schlüsselrolle in der Kommunikation zwischen Nervenzellen spielt das Ion Kalzium, da es gewissermaßen als Vermittler der biochemischen Signale wirkt.

Um der Signale in den feinen Dendriten habhaft zu werden, verwendete das deutsch-amerikanische Forscherteam eine neue optische Methode, die Multiquanten-Mikroskopie, die auf einem gepulsten Infrarot-Laser aufbaut.

Der besondere Vorteil dieser Methode liegt darin, dass es mit ihr erstmals möglich ist, die Retina mit Lichtmustern zu reizen und gleichzeitig die Antworten ihrer Neurone optisch aufzuzeichnen.
Mehrere Richtungsdetektoren in einer Zelle vereint
Mit dieser Technik nun konnten die Forscher Änderungen der Kalzium-Konzentration bei den Ausgangssynapsen der "starburst"-Amakrinzellen messen.

Hierbei fanden die Wissenschaftler heraus, dass verschiedene Bereiche innerhalb ein und derselben "starburst"-Zelle weitgehend unabhängig voneinander reagieren können und dabei jeweils unterschiedliche Bewegungsrichtungen bevorzugen.

Somit sind also bereits ihre dendritischen Ausgangssignale richtungsselektiv, doch jeder Dendrit reagiert auf eine andere Richtung optimal. Das erklärt auch, warum das elektrische Signal im Zellkörper unspezifisch erscheint - die Signale aus den Dendriten mitteln sich.

Mit anderen Worten, jede "starburst"-Zelle vereint eine Anzahl von Richtungsdetektoren in sich.
Berechnung "erfolgt eine Stufe vor den Ganglienzellen"
"Durch die optische Messung von dendritischen Kalziumsignalen", so Thomas Euler, Erstautor der "Nature"-Studie, "haben wir erstmals gezeigt, dass die Information, wohin sich ein Objekt in unserem Sichtfeld bewegt, bereits eine Stufe vor den Ganglienzellen, nämlich in den "starburst"-Zellen errechnet wird."
->   Max-Planck-Institut für medizinische Forschung
->   University of Washington
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
  sensortimecom | 06.08, 16:41
"Code" für die räumliche Orientierung..
Nein, so was!

Strukturen biologischer Art vermeiden das Problem der Ort/Zeit-Unschärfe, indem sie statt deterministischer Quantisierung von Messgrößen (dem sog. "Sägezahn-Sampling" wie wir es aus der Comp.-Technik kennen) ausschließlich VERSTREICHZEITEN aus dem Verlauf der rezeptorisch erhaltenen Sensoramplituden ableiten, wobei die Auslösungen der Messungen zu Phasenübergängen getriggert werden, wenn das Signal eine bestimmte Schwelle durchschreitet.

Um ihre Eigenbewegung in Echtzeit zu erkennen, messen autonome Systeme (insbes. biologische Entitäten) also nicht die umgebenden aktuellen physikalischen Zustände an sich, sondern immer nur die zeitliche Veränderung von Zuständen. Sie messen die Geschwindigkeiten und zeitlichen Verläufe von Signalen.

Genau beschrieben in
www.sensortime.com/time-de.html

Erich B.
 
 
 
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