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Neues aus der Welt der Wissenschaft |
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70. Todestag des Philosophen Miguel de Unamuno |
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| | Miguel de Unamuno galt als eine der schillerndsten Gestalten der spanischen Literatur und Philosophie. Durch die Vielfalt seiner Gedanken entzog er sich jeglicher Kategorie der Kulturgeschichte. Sein Werk, das die Widersprüchlichkeit der menschlichen Existenz beschreibt, umfasst philosophische Werke, Romane, Essays, Gedichte und Theaterstücke. Am 31. Dezember ist der 70. Todestag dieses modernen Don Quijote. |
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Tragisches Lebensgefühl |
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Unamunos zentrales Thema war das "tragische Lebensgefühl". Dieses Gefühl entsteht, wenn das Individuum seine Sterblichkeit bewusst reflektiert und sich die Hinfälligkeit seiner Handlungen vor Augen führt.
Der Mensch erlebt dann seine Existenz als "einen ständigen Kampf ohne Sieg, ohne Hoffnung auf einen Sieg". Er führt die Existenz eines Don Quijote, der gegen Windmühlen kämpft.
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Das Leben als permanenter Konflikt |
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Dieser Kampf spielt sich zwischen verschiedenen Kräften ab: Emotionen, Leidenschaften und Phantasien gegen die Herrschaft der Rationalität, die alles kontrollieren will; religiöse und metaphysische Hoffnungen gegen die Vernunft der Aufklärung; Materialismus gegen Idealismus, gesellschaftliches Engagement gegen den Rückzug in den Elfenbeinturm der reinen Kontemplation.
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"Generation von 98" |
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Unamuno zählt zur so genannten "Generation von 98": Diese intellektuelle Strömung berief sich auf das Jahr 1898, das einen entscheidenden Bruch in der Geschichte Spaniens darstellt.
In diesem Jahr kam es zum Verlust der überseeischen Kolonien Kuba, Puerto Rico und der Philippinen. Darauf reagierten auch einige Intellektuelle, die so genannte "Generation von 1898". Sie sorgten sich um Spanien und drängten auf eine umfassende Erneuerung.
Die "Generation von 1898" versuchte, die bis dahin herrschende kulturelle Isolation Spaniens zu durchbrechen. Schriftsteller und Intellektuelle wie Miguel de Unamuno, Pio Baroja oder Ramón de Valle Inclán beriefen sich dabei auf die Errungenschaften der europäischen Moderne.
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Biografie Geboren wurde Unamuno am 29. September 1864 in Bilbao. Er studierte an der Universität von Madrid und wurde nach einem Zwischenspiel als Professor für Griechisch Rektor an der Universität Salamanca.
Sein kämpferischer Geist artikulierte sich auch auf politischer Ebene: So musste er nach einem Angriff auf die herrschende Regierung sein Amt zurücklegen; 1924 wurde er wegen seiner Kritik an der präfaschistischen Diktatur von Primo de Rivera nach Fuerteventura verbannt. Danach ging er nach Paris, wo er sich bis 1930 aufhielt.
1930 erfolgte sein Rückruf an die Universität Salamanca. Dieses Amt verlor er zum zweiten Mal nach einer heftigen Invektive gegen die engsten Vertrauten von General Franco. Am 31. Dezember 1936 verstarb der kämpferische Intellektuelle in Salamanca. |
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Plurales Ich |
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Unamuno sieht das Leben - ähnlich wie Friedrich Nietzsche - als Kräftespiel, das nur eine vorübergehende Balance ermöglicht. Nichts ist statisch, nichts bleibt gleich; nicht einmal die menschliche Identität.
Das Streben nach Einheitlichkeit des Individuums ist für Unamuno das Resultat der Herrschaft des Intellekts. "Er sucht das Tote, weil ihm sich das Lebendige entzieht; das Flüchtige, Strömende will er zu Eisschollen gefrieren, um es für allemal festzuhalten."
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Umstrittener Intellektueller |
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Unamuno selbst verkörperte dieses Kräftespiel. Er widersetzte sich der Eindeutigkeit politischer Strömungen. Die Rechten sahen in ihm einen sozialistenfreundlichen Hitzkopf, die Linken und Anarchisten warfen ihm Mystizismus vor.
Sein Werk ist ein Patchwork zahlreicher Ideen der europäischen Moderne, das er als "Evangelium der Opposition" bezeichnete.
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Stilistischer Avantgardist |
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Auch stilistisch ist Unamunos literarisches Werk ein Patchwork, das zahlreiche Schreibtechniken, der Avantgarde des 20. Jahrhunderts vorwegnimmt. Speziell in seinem 1914 publizierten Roman "Niebla" ("Nebel") und dem Essay "Wie man einen Roman macht" finden sich diese Techniken: Die Ich-Identität der handelnden Personen löst sich im Bewusstseinstrom auf; wechselnde Erzählperspektiven zerstören den fortlaufenden Strang der Erzählung; im Roman wird eine Metatheorie des Romans konzipiert.
Die Intention des Autors besteht darin, traditionelle Formen der literarischen Repräsentation zu zerstören - im Sinne der Dekonstruktion des französischen Philosophen Jacques Derrida - um sie dann neu zusammenzusetzen.
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"Wie man einen Roman macht" |
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In dem Essay "Wie man einen Roman macht" zeichnet Unamuno die Entstehungsgeschichte eines Romans nach. In diesen Text fließen äußere politische Ereignisse ebenso ein wie Bemerkungen über die Befindlichkeit des Autors oder Reflexionen über mögliche Romanfiguren.
Wichtig dabei ist für Unamuno die Offenheit des Kunstwerks: "Das Abgeschlossene, das Vollkommene ist der Tod. (...). Der Leser, der abgeschlossene Romane sucht, verdient nicht mein Leser zu sein; er ist schon abgeschlossen, bevor er mich gelesen hat."
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"Plädoyer für den Müßiggang" |
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Eine weitere Facette von Unamunos Persönlichkeit ist seine Wertschätzung einer poetischen Kontemplation, die er in seinem Essay "Plädoyer des Müßiggangs" beschreibt:
"Zuweilen raffe ich mich dazu auf, an den Balkon zu treten, um einen Augenblick lang das Meer zu betrachten. In meinem Geist herrscht eine poetische, das heißt schöpferische Situation, welche die Trägheit hervorruft. Denn der Dichter ist zuallererst ein Faulenzer, ein Nichtstuer und das sage ich zum Lob des Poeten."
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Fazit |
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"Unamuno gehört nicht zu denjenigen, die ihr Denken symmetrisch geordnet auftischen oder in Scheibchen geschnitten wie die Wurst in einem Krämerladen, in runden oder eckigen Stückchen; denn das nennen manche Literatur." (Antonio Machado)
Nikolaus Halmer, Ö1 Wissenschaft, 29.12.06
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Erhältliche Werke: Wie man einen Roman macht
Plädoyer des Müßiggangs
Selbstgespräche und Konversationen
Alle 3 Bände erschienen im Droschl Verlag; Übersetzung: Erna Pfeiffer. |
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Unamuno im Droschl Verlag |
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polposchissn | 30.12, 19:16
Ich kenn` Leute... .. die würden sich auch gern nach Fuerteventura verbannen lassen.
Sogar lebenslänglich;-))
So ändern sich halt die Zeiten. |
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freiwelt | 29.12, 11:57
es fällt einem eigentlich kein moderner autor ein, dessen lebensgefühl ein nicht-tragisches wäre, auf die art: leben als ungebrochene erfolgsgeschichte... bei homer kommt odysseus noch ans ziel, aber 3000 jahre später ist sogar ian flemings james bond - in der literarischen vorlage - eine tragische figur, da er seine geheimdienstlichen hattricks bei jeder neuen episode mit dem tod seiner geliebten bezahlt. (der letzte bond dürfte auch der einzige sein, der das auch mal filmisch umsetzt) vanitas - vergeblichkeit - ein klassischer topos
tragik ist eigentlich auch nicht das lebensgefühl don quijotes, der ja im wahn lebt. wäre eher das eines sancho panza, der gewissermassen als stiller beobachter im körper seines herrn all dessen eskapaden mitmachen muss, innerlich kopfschüttelnd... aber so ist das nun mal, ohne stets ins leere laufenden impuls passiert eben nichts im leben. und das wär fad |
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