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Fukuyama: "Ende der neokonservativen Geschichte"  
  Mit der These vom "Ende der Geschichte" wurde der konservative US-Politologe Francis Fukuyama weltweit berühmt. Nun hat er wieder ein Ende diagnostiziert - jenes des amerikanischen Neokonservatismus. In seinem neuesten Buch beschreibt er das Scheitern einer seiner grundlegenden Ideen: Die Demokratisierung des Nahen Ostens mit Waffengewalt sei misslungen, der Kampf gegen radikalen Islamismus viel eher ein "Wettbewerb um die Köpfe und Herzen normaler Moslems".  
Das Urteil von Fukuyama, der an der Johns Hopkins University in Washington unterrichtet, fällt vernichtend aus: Der Irak-Krieg habe sich als selbsterfüllende Prophezeiung herausgestellt und aus dem Land einen Magneten für "dschihadistische Terroristen" gemacht.

Die Bush-Doktrin - die Demokratisierung der Region als langfristige Strategie gegen den Terror - sei zu einem heillosen Durcheinander geworden.
Wiederkehr von Realismus und Pragmatismus
Innenpolitisch sei der Stern der "Neocons" seit längerem im Sinken begriffen, ein neuer Realismus und Pragmatismus in der Außenpolitik a la Henry Kissinger greife um sich.

Die politisch Rechte und Linke finde in ihrer Argumentation zur "Heimkehr der Truppen" immer stärker Gehör, und in der Bevölkerung gebe es eine Stimmung für einen neuen Isolationismus wie zu Zeiten des Vietnam-Krieges.

Neokonservatismus, so betont Fukuyama, habe sich zu etwas entwickelt, das er nicht mehr unterstützen will.
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Aufstieg und Fall des Neokonservatismus beschreibt Fukuyama in seinem neuesten Buch "America at the Crossroads", das dieser Tage bei der Yale University Press erschienen ist. Die New York Times brachte am 19. Februar einen exklusiven Vorabdruck.
->   Das Buch (Yale University Press)
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Kritik an USA schon lange vor Irak
Die neokonservative Politik habe sich nicht nur dabei verschätzt, wie erfolgreich der Export von Demokratie durch Waffen sein könnte. Auch mit dem Ausmaß der Reaktion der restlichen Welt auf den "wohlwollenden Hegemon USA" habe man nicht gerechnet.

Dabei habe es schon lange vor dem Irak-Krieg genug anti-amerikanische Gefühle in der Welt gegeben - genährt u.a. durch die Prozesse der Globalisierung, als deren Hauptantrieb gerne die USA gesehen wurden.

Die im Vorfeld der Irak-Invasion geäußerte Kritik, wonach die Bush-Administration keinen Plan für die Erlangung ihrer Ziele nach einem militärischen Sieg hat, habe sich bewahrheitet.
Entmilitarisierung des Terrorkrieges nötig
Fukuyama versucht auch zu beantworten, worin eine sinnvolle Korrektur der US-Politik bestehen könnte. In erster Linie müsse es zu einer Entmilitarisierung des "Kriegs gegen den Terror" kommen.

Die Auseinandersetzung mit dem radikalen Islamismus sei vor allem "ein politischer Wettbewerb um die Herzen und Köpfe der normalen Moslems in aller Welt".

Europa werde bei dieser Auseinandersetzung "ein zentrales Schlachtfeld" sein, so Fukuyama in wenig entmilitarisierter Diktion.
"Multi-multilaterale Welt" statt UNO
Für die Zusammenarbeit mit anderen Ländern bedürfe es mehr als einer "Koalition der Willigen", wie es George Bush zur Zeit des Irak-Krieges nannte. Vielmehr sei der Mangel an effektiven internationalen Institutionen zu beheben, die für die nötige Legitimation kollektiver Handlungen sorgen könnten.

Die Vereinten Nationen kommen für Fukuyama dafür nicht in Frage. Diese seien für friedenssichernde Maßnahmen zwar geeignet, nicht aber für "ernsthafte Sicherheitsfragen".

Fukuyama plädiert für eine "multi-multilaterale Welt" von bestehenden regionalen und funktionalen Institutionen. Aus seiner Sicht ein gutes Beispiel war das Vorgehen im Kosovo 1999, als die NATO trotz eines russischen Vetos im UN-Sicherheitsrat handelte.
Modernisierung bringt auch mehr Terror
Das schlimmste was der US-Politik in Zukunft geschehen könnte, wäre ein Rückfall in eine isolationistische Haltung und ein "zynischer Realismus", der sich damit zufrieden gibt, mit autoritären Staatsführern zu kooperieren. Die Zeiten dafür seien vorbei.

Ganz entscheidend sei es zu begreifen, dass Demokratisierung und Modernisierung des Nahen Ostens nicht die Lösung des Problems von islamistischem Terror bedeute - im Gegenteil.

"Radikaler Islam ist ein Nebenprodukt der Modernisierung, der durch den Verlust traditioneller Identitäten entsteht ", betont Fukuyama. Mehr Demokratie bedeute auch mehr Entfremdung, mehr Radikalisierung und auch mehr Terror.
Demokratie "von innen" stärken
Gegen diese Prozesse gebe es kein Mittel - der Ausschluss von radikalen Gruppen aus der Politik, sei jedenfalls mit Sicherheit keines.

Die USA sollten in Zukunft die demokratischen Bewegungen dieser Länder unterstützen, aber nicht von außen aufzwängen. "Das Verlangen nach Demokratie und Reformen muss von innen kommen", betont Fukuyama.

Zeichen für eine Änderung der US-Politik gebe es etwa bei den multilateralen Herangehensweise zur Lösung des Problems der Uran-Anreicherung durch den Iran.
Auf allgemeine Menschenrechte weiter nicht verzichten
Das Resümee von Fukuyama: Gleichgültig, was Neokonservatismus einmal bedeutet hat, heute sei er unzertrennlich mit Unilateralismus, erzwungenem Regimewechsel und amerikanischer Hegemonie verknüpft.

Nun aber seien neue Ideen erforderlich: Diese sollen weiterhin nicht auf die Allgemeingültigkeit der Menschenrechte verzichten, sich aber nicht der Illusion hingeben, dass amerikanische Macht ausreicht, diese in aller Welt auch umzusetzen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 2.3.06
->   Zur Voransicht des Artikels in der "New York Times" (nur nach Registrierung)
->   Francis Fukuyama, Johns Hopkins University
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Karikaturen-Streit: Anthropologe sieht auch Chancen (22.2.06)
->   Die Mathematik des globalen Terrors (11.2.05)
->   Supermacht USA: Wie gespalten ist Europa? (4.6.04)
->   Antiamerikanismus - Einst und Jetzt (24.5.03)
 
 
 
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  dursttiger | 02.03, 19:33

fukuyama beendet wieder mal was? na dann wirds ned lang dauern, bis huntington mit senf was neues anfängt....
 
 
  vehlgast | 02.03, 17:25
Menschenrechte?
Folter,Todeslisten,sogenannte "gezielte Tötungen", Entführungen durch Geheimdienste, Guantanamo...und dann das Gerede von Menschenrechten?
 
 
  zlozale | 06.03, 11:33
sie reden uns ja auch eine angst vor einer islamischen atombombe ein, ohne zu erwaehnen, dass sie selbst die bisher einzige nation der welt sind, die nicht davor zurueckschreckt, die atombombe zur durchsetzung ihrer militaerischen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen interessen einzusetzen...
  dergerndenwolfpflanzt | 02.03, 13:16
irak
wesentlich ist, dass die us truppen gewehr bei fuss an der iranischen grenze stehen.
 
 
  dergerndenwolfpflanzt | 02.03, 13:17
das war wohl auch das langfristige ziel
des irak- krieges
  herrsenfdazugeber | 02.03, 14:50
auch. das öl ist nur eine wichtige einnahmequelle für den nächsten "Demokratischen Krieg"
  chilliking | 02.03, 13:01
Frohlocket!
Buck Fush
 
 
  ischbazzd | 02.03, 12:58
es ist zu spät, diese einsicht.....
und sie dient wahrscheinlich eh nur den nächsten wahlen....fuck off bush
 
 
  cyana | 02.03, 12:53
Wichtig
ist vorallem, dass die Intellektuellen in den USA wieder Auftrieb erhalten. Jesusland hat versagt. Die Neocons abgewirtschaftet. Die Political Correctness, mittlerweile auch bei uns Teil des Alltagsterrors, manipuliert ins Leere. Die Menschen haben die unerträglich gewordene Bevormundung in allen Lebensbereichen satt. Es wird Zeit für einen neuen Frühling.
 
 
  mihish1 | 02.03, 13:13
ich bin jedes Jahr in den USA
und kann Deine Sicht der Dinge aus eigener Wahrnehmung nicht bestätigen.
  ignatius | 02.03, 16:24
Alexis de Toqueville
beschrieb in seinem Buch "über die Demokratie in Amerika" den aufkommenden Katholizismus, das Ende des Rechtsstaates etc. und das war bereits um 1865! Mechanismen werden instaliert und funktionieren.

Ob Kerry oder Bush (beide Skull&Bones-Mitglieder), Clinton (Hillary) oder Arnie (mit der Verfassung sowieso nie?) am Ruder sind bzw. sein werden, ist dabei völlig Sausage!

  ignatius | 02.03, 16:28
Ahja:
Who-the-Yama-is-Fuku?
Kolumnist bei NEWS ;-)
  cyana | 03.03, 19:22
an mihish1
hab drüben gearbeitet und bin jährlich mehrmals in den US. So what ?
  cyberpunk | 02.03, 12:37
nicht ohne Partner
was noch besonders am Phänomen der einzigen Supermacht der Postmoderne auffällt, die USA sind auf ihre Vasallen angewiesen. Ein weiterer Denkfehler der Neocons. Selbst die Großmacht hat auf Dauer nicht die Ressourcen und auch nicht das Kapital um alleine in den Krieg zu ziehen. Das soll nicht die US Hegemonie infragestellen, zeigt aber deren Verwundbarkeit und Grenzen auf.
 
 
  camelrace | 02.03, 16:37
vollkommen richtig
Eigentlich haette Bush wissen muessen, dass die Resourcen der USA in keinem Verhaeltnis zur Grossmannssucht stehen.
Die Amerikaner, aber auch die Europaer, leben in einer medialen Scheinwelt. Die Musik spielt woanders. Ganz unbemerkt von der quatschenden, westlichen Medienwelt ist im Mittlern Osten ein Kapitalmonster aus dem Ei geschluepft. Allein Sheikh Waleed aus Saudi Arabien besitzt mit seiner Kingdom Holdien grosse Anteile der Citygroup, der groessten Bank der Welt, an Pepsi Cola, an Procter&Gamble und so weiter. Dubai uebernimmt in Kuerze die Haefen von New York, Baltimore, Miami und New Orleans. Das kleine Emirat Abu Dhabi verdient jeden Tag US$500mio, die von der ADIA (Abu Dhabi Investment Authority) verwaltet werden. Dort sitzen 1500 Broker, die weltweit Firmen und Patente aufkaufen. Das sind nur Kleinigkeiten. Wer heute glaubt, ohne diese Maechte, Politik spielen zu wollen, der muss sich warm anziehen. Die Grosstuerei von amerikanischen und europaeischen Politikern kostet den wahren Maechtigen einen Lacher.
  camelrace | 02.03, 16:40
zu schnell geschrieben
"Kingdom Holding" muss es heissen.
  frescobaldi | 02.03, 11:52
und solche Typen
nennen sich "Wissenschaftler".
Erst zündeln sie (ähnlich wie Huntington) und später waren sie nicht dabei.
Haben die Weitsicht einer sich zweidimensional bewegenden Schnecke, die nicht begreift, daß die Erde eine Kugel ist und blasen jedes Modeereignis zum Angelpunkt der Geschichte auf. Aber in einer zunehmend "geschichtslosen Welt" geht sowas ja....
 
 
  frescobaldi | 02.03, 12:14
ein zweiter Gesichtspunkt ist folgender:
Die USA haben weltweit eine bevorzugte Position inne, dies bezieht sich auf Ressourcenverbrauch, Kredit- und Geldwesen. Gesützt wird diese Position durch 2 Faktoren:
1. Der US-Binnenkonsum, der in einem hohen Ausmass aufüberzogenen Konsum und Pump beruht (den aber nieand abwürgen will, aus Angst vor weltweiter Depression).
2. Eine geschichtlich nie dagewesene militärische Dominanz - die ebenfalls weitgehend über zu billige Kredite aus dem Weltsystem finanziert wird.
Diese beiden Punkte sind KONSTANTEN der gegenwärtigen US-Politik, Neocons hin oder her, die USA SIND NICHT DARAUF gerüstet OHNE Hegemonie ihrer Wohlstand zu bewahren.
D.h., die USA werden WEITERHIN der Hauptunruhefaktor auf der Welt bleiben, ihr Hegemonialstreben ist in ihrer Lage begründet.
  camelrace | 02.03, 16:47
Huntington hat wohl am ehesten..
die Nase im Wind, obwohl er seine Theorien hauptsaechlich von Oswald Spengler uerbernommen hat. Spenglers Werk "Der Untergang des Abendlandes (1922)" muesste zur Pflichtlektuere werden. Was haben wir denn heute sonst, als einen "Clash of Civilisations"? Ich lebe seit Jahren im Mittleren Osten und kann Huntington und Spengler vollkommen recht geben.
  bigbruno | 02.03, 11:13
und diese "no na"-Wahrheiten sollen Wissenschaft sein?
Na bravo, das ist ja ein großartiger Beweis für die Überlegenheit des US-amerikanischen Universitätssystems! (Deshalb brauchen wir das auch unbedingt alles bei uns, gell Frau Ministerin?)
 
 
  herrsenfdazugeber | 02.03, 14:48
ich bin VOLLKOMMEN gegend das amerikanische Unisys aber einen ganz großen vorteil hat es. Die großen unis die viel kosten investieren auch sehr viel in Forschung und haben auch uns weit gebracht aber wie gesagt will ich das nicht, da die nachteile überwiegen.
  nixbled | 02.03, 10:48
besser diese einsicht
als weiteres beharren auf einer offensichtlich gescheiterten doktrin.
zur titulierung "guru" bedarf es einer entsprechenden anerkennung durch die umgebung. und diese kann ihm meines erachtens wohl nicht zum vorwurf gemacht werden.
 
 
 
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