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Neues aus der Welt der
Wissenschaft |
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Elektrische Synapsen: Flexibler als gedacht |
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Von Synapsen gibt es
zwei Sorten: chemische und elektrische. Erstere sind flexibel und
veränderbar, was etwa bei allen Lernvorgängen im Gehirn eine große Rolle
spielt. Letztere hatten bis vor kurzem das Image von unkreativen
Befehlsempfängern im Konzert der Nervenzellen. Stimmt so nicht, fanden
nun zwei US-Biologen heraus. Auch elektrische Synapsen sind wie ihre
berühmten Verwandten durchaus modulierbar. |
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Das berichten Carole
E. Landisman und Barry W. Connors von der Brown University, die
elektrische Synapsen aus dem Hirn von Ratten untersucht haben.
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Die
Studie "Long-Term Modulation of Electrical Synapses in the Mammalian
Thalamus" Carole E. Landisman and Barry W. Connors erschien im
Fachjournal "Science" (Bd. 310, S.1809-13; DOI:
10.1126/science.1114655). |
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Zum
Abstract |
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Das
Dazwischen entscheidet |
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"Dreißig Speichen
treffen die Nabe, die Leere dazwischen macht das Rad. Lehm formt der
Töpfer zu Gefäßen, die Leere darinnen macht das Gefäß. Fenster und Türen
bricht man in Mauern, die Leere damitten macht die Behausung."
Leider wusste Laotse noch nichts über den Aufbau des Gehirns, ansonsten
hätte er vielleicht gesagt: Aus vielen Nervenzellen besteht das Hirn,
aber erst das Dazwischen macht das Denken.
Mit "Dazwischen" sind jene Kontaktstellen zwischen den Neuronen gemeint,
die der englische Neurophysiologe Charles Scott Sherrington im Jahr 1897
"Synapsen" nannte. |
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Chemische Synapsen - Meister der Verwandlung |
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Im Prinzip gibt es
zwei Typen davon. Zum einen die so genannten chemischen Synapsen, bei
denen elektrische Signale zur Absonderung von Signalstoffen, den
Neurotransmittern, führen, die in der nächsten Nervenzelle wiederum in
elektrische Signale übersetzt werden.
Dieser doppelte Übersetzungsschritt bremst zwar die Weiterleitung des
Reizes, der Zeitverlust kann bis zu fünf Millisekunden betragen. Aber
das hat auch einen großen Vorteil: Die Übersetzung macht das ganze
System plastisch.
Letztlich sind alle Lernvorgänge - etwa Prägung, Gewöhnung,
Konditionierung u.a.m. - auf Veränderungen der Signalübertragungen an
Synapsen zurückzuführen. Und das kann als naturgeschichtliche Erfindung
gar nicht genug gewürdigt werden. Ohne Lernen wären Tiere starr
programmierte Wesen, unfähig, auf Umweltbedingungen flexibel zu
reagieren oder gar höhere kognitive Funktionen wie Bewusstsein zu
entwickeln. |
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Elektrische Mauerblümchen |
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Daneben gibt es noch
eine zweite Sorte neuronaler Kontaktstellen, die neben den prominenten
chemischen Synapsen quasi ein Mauerblümchendasein fristen: Die so
genannten elektrischen Synapsen sind im Wesentlichen Übersprungsstellen,
bei denen elektrische Signale via Poren bzw. Kanäle von einer Zelle auf
andere übertragen werden.
Dieses Prinzip ist simpel, ohne biochemische Schnörkel, dafür effizient.
Die Weiterleitung erfolgt praktisch ohne Verzögerung, was bei
automatisierten Vorgängen durchaus sinnvoll ist. So sind elektrische
Synapsen etwa im Herzmuskel am Werk, wenn sich Erregungen synchron
ausbreiten.
Sie steuern auch Schwanzbewegungen von Fischen und sind grundsätzlich an
stereotypen Reaktionen beteiligt, bei denen es darum geht, viele
Nervenzellen gewissermaßen in den Gleichschritt zu zwingen. |
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Neuronen aus Rattenhirn untersucht |
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Dachte man zumindest
bisher. Wie nun eine Studie von Carole E. Landisman und Barry W. Connors
von der Brown University nahe legt, verhalten sich die elektrischen
Synapsen doch nicht gar so starr. Sie untersuchten elektrische
Kontaktstellen zwischen Neuronen, die in einer Art Schaltstation im
Sehhügel des Zwischenhirns vorkommen.
Diese so genannten TRN-Neuronen erhalten beispielsweise Signale, die von
Zellen der Großhirnrinde stammen. Diese Inputs werden durch das
Rezeptormolekül Glutamat vermittelt, das in Lebensmitteln auch als
Geschmacksverstärker eingesetzt wird. Der Grund: Glutamat-Rezeptoren
gibt es nicht nur im Hirn, sondern auch auf der Zunge. Dort lösen sie
die Empfindung der fünften Geschmacksqualität, Umami, aus. |
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Signale verändern Leitfähigkeit |
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Zurück zum Hirn:
Landisman und Connors reizten die TRN-Neuronen durch künstliche
Glutamat-Zugaben und verfolgten, wie sich die Signale über folgende
elektrische Synapsen ausbreiteten. Das gleiche Experiment wiederholten
sie mit einem künstlichen Molekül, das ebenfalls als "Schlüssel" in die
Glutamat-Rezeptoren passt sowie mit simplen elektrische Reizen.
Das Ergebnis war bei allen drei Versionen ähnlich. Die Weiterleitung des
Signals führte zu einer Veränderung der synaptischen Bindungsstärke, und
zwar zu einer Abnahme um rund 20 bis 30 Prozent. Das heißt, dass die
Signale offenbar auch an diesen Stellen modulierbar sind. |
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Konsequenzen für den Rhythmus des Konzerts |
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"Die Veränderung, die
wir gefunden haben, weist große Ähnlichkeiten zur so genannten
Langzeitdepression an chemischen Synapsen auf", erklärt Carole Landisman.
Sie läuft im Wesentlichen darauf hinaus, dass die Kommunikation zwischen
zwei Nervenzellen reduziert wird.
"Da die Funktion von elektrischen Synapsen über längere Zeiträume
veränderbar ist, dürften sie auch bei der Plastizität des Hirns eine
Rolle spielen", sagt Barry Connors. "Plastizität" heißt hier im weiteren
Sinne: Lernen. Was das für das große Bild des Gehirns bedeutet, ist noch
nicht abschätzbar.
Connors gibt aber bereits einen Hinweis, wohin die Forschungsreise gehen
könnte: "Da elektrische Synapsen die Synchronisierung von Gehirnzellen
steuern, könnten sie auch an der Regulation von Rhythmen im Gehirn
beteiligt sein, die während des Schlafes oder im Wachzustand auftreten."
Robert Czepel,
science.ORF.at, 16.12.05 |
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