|
|
|
|
|
|
|
|
Neues aus der Welt der
Wissenschaft |
| |
|
|
|
|
Analyse der Amtsausübung von US-Präsidenten |
|
|
|
Am Beginn der zweiten
Amtszeit von George W. Bush sind analytische Einordnungen gefragt. Wie
jedoch klassifiziere ich den mächtigsten Mann der Welt? Der
US-amerikanische Politikwissenschaftler James Barber hat 1972 eine
psychologische Typologie für den Charakter von Präsidenten entworfen. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Die durch den
Charakter bedingte Amtsausübung des Präsidenten wird hinsichtlich ihres
Aktivitätsgrades (aktiv/passiv) und der Amtsauffassung bzw. der Form der
Machtausübung (positiv/negativ) analysiert. Das Ergebnis ist eine
vierteilige Matrix. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Quelle: Peter Filzmaier/Fritz Plasser, Die amerikanische Demokratie:
Regierungssystem und politischer Wettbewerb in den USA, Wien 1997, S.
118. |
|
|
|
|
|
Aktiv-positiv wie Abraham Lincoln |
|
|
|
Aktiv-positive
Präsidenten finden Freude an ihrer Arbeit und sehen es als
Herausforderung, ihre Macht zur Durchsetzung von Zielen einzusetzen.
Sie sind aktiv in der Gesetzgebung und scheuen Konflikte nicht. Mit
Abraham Lincoln (1861-1865) wurde dieser Führungsstil geschaffen: Der
Präsident versteht sich als aktiver Politiker und vor allem
Krisenmanager. |
|
|
|
|
|
Handeln bis an die Grenzen der Verfassung |
|
|
|
Seine Aufgabe wird
nicht als Vollziehung, sondern als Steuerungsfunktion gesehen. Die
Beschränkung der Macht eines Präsidenten im Lincoln-Typus erfolgt
lediglich durch die ausdrücklichen Grenzen der Verfassung.
Im Bürgerkrieg verfügte Lincoln Truppenaufstellungen,
Wirtschaftsblockaden und das Kriegsrecht ohne oder nur mit
nachträglicher Zustimmung des Kongresses. Unter der Berufung auf den
nationalen Notstand setzte er sogar Bürgerrechte außer Kraft.
|
|
|
|
|
|
Dennoch verhandlungsfähig und kompromissbereit |
|
|
|
Franklin D. Roosevelt
(1933-1945) etablierte durch das New Deal Program gegen die
Wirtschaftskrise und infolge der zentralen Rolle der USA im Zweiten
Weltkrieg endgültig den innen- und außenpolitischen Führungsanspruch des
Präsidenten.
Trotz ihres Selbstbewusstseins und einer überzeugten Meinung gelten
aktiv-positive Präsidenten jedoch im Regelfall als verhandlungsfähig und
kompromissbereit. Moderne Präsidenten verstehen sich zudem als volksnahe
Koordinatoren und Führer des politischen Grundkonsenses. Ein
Musterbeispiel waren die Demokraten John F. Kennedy (1961-1963) und
Lyndon B. Johnson (1963-1969). |
|
|
|
|
|
Aktiv-negativ: Getrieben für eigenen Erfolg |
|
|
|
Theodore Roosevelt
(1901-1909) im Kampf gegen die Monopolbildung und Woodrow Wilson
(1913-1921) im Ersten Weltkrieg verstanden es, die präsidentiellen
Möglichkeiten zur Gewinnung der öffentlichen Meinung für ihre
Regierungsvorhaben zu nutzen.
Sie waren aktiv-negative Präsidenten, die ebenso viel Energie wie
aktiv-positive aufwenden, aber "getrieben" waren, für eine politische
Karriere Erfolg zu haben. Macht diente ihrer Karriere, weniger der
Zielverwirklichung.
Richard Nixon (1969-1974) präsentierte sich staatsmännisch und
"unpolitisch", während er hinter den Kulissen seine Macht bis an die
Grenzen der Verfassungswidrigkeit einzusetzen verstand. |
|
|
|
|
|
Passiv-positive Präsidenten lieben die Anerkennung |
|
|
|
Passiv-positive
Präsidenten lieben die Politik und wollen geliebt werden. Sie suchen
keine Macht, um allgemeine oder persönliche Ziele durchzusetzen, sondern
die durch das Amt bedingte Anerkennung.
Ronald Reagan (1981-1989) wird zwar bescheinigt, in seiner ersten
Amtszeit die Verbindung von Verwaltungsmanagement und politischer
Führung gefunden zu haben, doch machte er den Eindruck eines
vergleichsweise unpolitischen Menschen, den das Sozialprestige des
Präsidentenamtes reizte. |
|
|
|
|
|
Passiv-negativ: Korrekt aber ohne Freude |
|
|
|
Passiv-negative
Präsidenten vereinen zwei Eigenschaften, die sie von der Kandidatur für
das Amt ausschließen könnten. Sie wollen beschränkte Energie aufwenden
und haben keine besondere Freude an der Amtsausübung.
Infolge ihres Pflichtbewusstseins - weil sowohl sie selbst als auch das
Volk, die Partei und mächtige Interessengruppen meinten, sie sollten als
Präsident zur Verfügung stehen - erledigen sie aber ihre
Verwaltungsaufgaben korrekt. |
|
|
|
|
|
Reduktion auf Verwaltungsbeamten |
|
|
|
James Buchanan, der
sich in seiner Amtszeit bis 1861 weigerte, die Sezession der Südstaaten
mit Gewalt zu verhindern, verkörperte diesen Führungsstil. Das Amt wird
primär als Summe von Vollziehungsaufgaben für einen Verwaltungsbeamten
verstanden.
Mit dem Argument, dass ansonsten keine Grenzen der präsidentiellen Macht
gegeben wären, erfolgt eine freiwillige Selbstbeschränkung auf die in
der Verfassung ausdrücklich festgeschriebenen Befugnisse. |
|
|
|
|
|
Eisenhower wie Bush sr. |
|
|
|
Der Eisenhower-Typus
(1953-1961) stellt eine Kombination der beschriebenen Stile von Buchanan
und Lincoln dar. Der Präsident ist ein klassischer Politiker, tritt
jedoch in der Öffentlichkeit als überparteilicher Staatsmann oder
Beamter auf.
Unter Berufung auf seine Verwaltungsaufgabe delegiert er die
Verantwortung, obwohl er im Hintergrund (hidden-hand leadership)
an allen Entscheidungen beteiligt ist.
Das Ansehen des Präsidenten wird hochgehalten, da bei Fehlentscheidungen
kein Negativbild entstehen kann. Parallelen zeigen sich zwischen
Eisenhower und George Bush sr. (1989-1993). |
|
|
|
|
|
Clintons gemischter Führungsstil |
|
|
|
Bill Clinton
(1993-2001) wurde ein gemischter Führungsstil zugeschrieben. Als
positive Eigenschaften galten seine Energie und sein Optimismus für neue
Vorhaben, negativ wurden mangelnde Selbstdisziplin und eine unklare
Zielsetzung gesehen.
Clinton versuchte, etwa in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, eine
Vielzahl von Zielen zu erreichen, ohne besondere Prioritäten zu setzen.
Nach den klassischen Analysen war Clinton trotzdem ein aktiver
Präsident, der über eine positive Amtseinstellung verfügte, d.h. seine
Macht zur Durchsetzung von politischen Zielen, die dem Allgemeinwohl
dienen sollen, einsetzte. |
|
|
|
|
|
Bush jr. wurde nach 9/11 zum aktiv-negativen Präsidenten |
|
|
|
George Bush jr. (ab
2001) hätte ohne die Ereignisse des 11. September als passiv-negativer
Präsident gelten können, der am ehesten mit Eisenhower bzw. Bush sr.
vergleichbar gewesen wäre. Relativ zurückhaltend, im Sinne der
Machtansprüche von ihn nominierenden Interessengruppen seine Pflicht
erfüllend.
Von den Terroranschlägen bis zum Irak-Krieg sowie durch das
missionarische Werteverständnis wurde er aktiv-negativ. Zwanghaft,
selbstbewusst und vom Ehrgeiz "besessen" um die Durchsetzung eines
Führungsanspruches und Gesellschaftsbildes bemüht.
Macht scheint Mittel zur Selbstverwirklichung zu sein. Unklar ist
allerdings, ob das als Beschreibung überhaupt für die Person Bush jr.
oder ausschließlich ihn vorschiebender Gruppen unter den Republikanern
zutrifft.
[20.1.05] |
|
Literatur-Hinweis
James D. Barber, The Presidential Character: Predicting the Performance
in the White House, Englewood Cliffs 1972. |
|
|
|