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Converging Technologies: Nächster "Hype" nach Nano  
  Die Nanowissenschaften boomen, doch die nächste Revolution ist bereits in Sicht. Sie nennt sich Converging Technologies (CT) und bezeichnet die Verschmelzung von Biotech, Infotech und Cognitive Sciences auf Basis der Nanotechnologie. In den USA hat CT ihre einflussreichsten Fürsprecher, aber auch ihre prononciertesten Gegner. Nun will auch Europa mitmischen.  
Warnung vor weiterer Entwicklung
Computerpionier Bill Joy sah sich zu Beginn des Jahres 2000 veranlasst, eindringlich vor den nächsten Schritten der Forschung zu warnen: Der Chefwissenschaftler und Mitbegründer von Sun Microsystems wählte ausgerechnet "Wired", das Zentralorgan der kalifornischen Computereuphoriker, um unter dem Titel "Warum uns die Zukunft nicht braucht" vor möglichen Entwicklungen in Nano- und Biotechnologie sowie der künstlichen Intelligenz zu warnen.

Die neuen Artefakte würden sich irgendwann selbst reproduzieren und uns Menschen über kurz oder lang überflüssig machen.
Heftige Debatte, aber dennoch Fortsetzung
Joys Kassandraruf löste heftige Debatten aus. Unter anderem widersprach auch der Physiker Freeman Dyson in der "New York Review of Books".

Doch Joys Empfehlung, auf die Weiterentwicklung der angesprochenen Technologien zu verzichten, stieß auf taube Ohren - zumal bei Mihail Roco, dem Nanoforschungsstrategen mit exzellenten Beziehungen bis hinauf ins Weiße Haus.

Der Chemiker, Physiker und Inhaber mehrerer Patente hat in den Neunzigerjahren die Nano-Initiative in den USA vorbereitet und begleitet. Mittlerweile kämpft er für die nächste große Sache, die die bisherige Nanoforschung noch einmal revolutionieren soll und Kritiker wie Joy geradezu auf den Plan ruft: "Converging Technologies".
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Der Disput zwischen Bill Joy in "Wired" und Freemann Dyson in der "New York Review of Books" kann online nachgelesen werden.
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Synergien "zum Wohl des Menschen"
Hinter dem Begriff verbirgt sich die Idee, auf der Grundlage des nanotechnologischen Fortschritts Biotechnologie, Informationstechnologie sowie die Kognitionswissenschaften mit ungeahnten Synergien zusammenzuführen - zum Wohl des Menschen, versteht sich. "Converging Technologies for Improving Human Performance" lautet entsprechend der Titel einer Studie, die auf Initiative von Mihail Roco und William S. Bainbridge durchgeführt wurde und die Chancen aus der Verbindung von Nano, Bio, Info und Cogno, kurz: NBIC, bewertet hat.

Der Bericht, der von der National Science Foundation unterstützt wurde und an dem 81 Wissenschaftler und Technologen beteiligt waren, verströmt von der ersten bis zur letzten Seite nichts als Optimismus:

Es werde zu einer neuen Renaissance kommen, da die Wissenschaften, die sich bisher mehr und mehr spezialisiert haben, wieder interdisziplinär zusammenfänden.
"Nano" als Schnittstelle zwischen Disziplinen
Die künftige Vereinheitlichung gehe dabei auf die Einheit der Natur auf der Nanoebene zurück. Eben dort entstünden auch neue Schnittstellen zwischen bislang disparaten Technikbereichen.

Die besten Ingenieure der Nano-, Bio- und Computertechnologie, heißt es, werden ihre Erkenntnisse und Techniken mit denen von Hirnforschern und Kognitionswissenschaftlern auf Nanoebene verknüpfen.
Den Menschen selbst verbessern
Das Resultat soll eine technische Revolution werden, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt.

Durch die neuen Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine sollen die Leistungen und Fähigkeiten der Menschen, also im Grunde der Mensch selbst verbessert werden.
Konkreter medizinischer Nutzen
Neben solchen abstrakten Versprechungen gibt es konkrete und kurzfristigere Heilserwartungen: Medizinische Prothesen oder optische Geräte für Blinde könnten bald direkt mit dem Gehirn verbunden werden. Die Pharmazie könne durch Gentests und Gentechnik individualisierte Therapien anbieten.

Tragbare kleine Sensoren und winzige Computer werden uns künftig über unseren Gesundheitszustand informieren oder vor chemischen Gefahren warnen. Außerdem schrumpfen Computer in den nächsten Jahren so weit, dass man sie samt Bildschirm und Tastatur auf die Haut tätowieren wird können.

Der Erfinder und Zukunftsdenker Ray Kurzweil ist sich sicher, dass man schon in zehn Jahren vor einer Auslandsreise eine Brille kaufen wird können, welche in Untertiteln die simultane Übersetzung einer beliebigen Fremdsprache anzeigt. Nicht viel später sei es dann möglich, die Übersetzung direkt auf die Netzhaut zu projizieren.
Neu: Einbeziehung der Kognitionswissenschaft
Das eigentlich Neue des amerikanischen Vorschlags zur Verbesserung der Menschheit ist die Einbeziehung der Kognitionswissenschaft in die verschmelzenden Technologien.

Vorgeschlagen wird ein langfristiges Projekt unter dem Namen COGNOM, das, in Analogie zum Humangenomprojekt, die so genannten Meme der Gesellschaft katalogisieren soll, also ihre geistigen und kulturellen Produkte, um so ihren Einfluss auf die Menschheit gezielt steuern zu können.
Beginn eines Goldenen Zeitalters?
Wenn heute die richtigen Entscheidungen für die Forschung getroffen werden, dann könne in zwanzig Jahren ein neues Goldenes Zeitalter beginnen, verkündet Mihail Roco. Er ist optimistisch, dass am Ende des 21. Jahrhunderts das Paradies technisch endgültig wiederhergestellt sein wird. Neben aller Euphorie ist Roco freilich in erster Linie ein pragmatischer Förderer und geschickter Lobbyist neuer Technologien.

Neuerdings wird auch diesseits des Atlantiks das Potenzial der CT diskutiert. Ihre europäischen Anhänger verzichten zwar weitgehend auf den agitatorischen Überschwang ihrer US-Kollegen, schließen sich aber der Einschätzung an, dass im nächsten Jahrzehnt ein Zehntel des Bruttosozialprodukts mit CT erwirtschaftet werden.
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Der NBIC-Herausforderung aus den USA will die EU-Forschungskommission mit einem etwas anderen Programm kontern, das sich "Converging Technologies für die Europäische Wissensgesellschaft" nennt und auch schon Teil des nächsten, also siebenten EU-Rahmenprogramms zur Forschungsförderung werden soll.

Dabei sollen CT vor allem zur Lösung konkreter Probleme beitragen: zur intelligenten Sprachverarbeitung, zur Behandlung von Fettleibigkeit oder für intelligenteres Wohnen.
->   Vorschlag der EU-Kommission (pdf-Datei)
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Europa: Keine militärische Forschung
Wenn es nach der von der EU-Forschungskommission eingesetzten Expertengruppe geht, der auch der Österreicher Raoul Kneucker angehört, sollen die europäischen CT aus der militärischen Forschung herausgehalten werden - anders als in den USA, denn dort steht die Weiterentwicklung von unbemannten Fahrzeugen und Kampfrobotern für militärische Zwecke weit oben auf der Agenda der CT-Befürworter.

Wenn auch klar ist, dass außer Kontrolle geratene Nanoroboter, die eigentlich als Spionagekameras dienen sollten, Science-Fiction bleiben werden, so lässt das kaum abschätzbare Potenzial der CT immerhin eine Prophezeiung zu: Auf Ethikkommissionen und Technologiefolgenabschätzer wartet in Zukunft wohl noch mehr Arbeit als bisher.

Gerald Krieghofer und Klaus Taschwer, Heureka, 6.12.2004
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Die aktuelle Ausgabe des "Heureka", die Wissenschaftsbeilage des "Falter", erscheint am 7. Dezember 2004 und widmet sich dem Thema "Nano".
->   Heureka
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->   Studie "Converging Technologies for Improving Human Performance" (als pdf-Datei)
Mehr zu Converging Technologies (CT) in science.ORF.at:
->   Ulrich Körtner: Wissenschaftsethik und CT (Teil 2; 27.10.04)
->   Ulrich Körtner: Wissenschaftsethik und CT (Teil 1; 15.10.04)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Technologie 
 
  issafrühling | 07.12, 16:51
Das Wort "Hype"
ist hier falsch gebraucht. Etwas hypen heißt Propaganda für ein Produkt machen, sodaß es mehr Leute kaufen als ohne Hype. In Verbindung mit Nanotechnologie kommt mir das komisch vor. Falls sich der Verfasser eines Wortes bedienen wollte, das an Goethes Zauberlehrling gemahnt, hat er sich vergriffen.
 
 
  archilochos | 08.12, 12:01
"Hype" nur für Journalisten - Wissenschaftsnachrichten als Ramschware
Nanotechnologie hatte sicher nie vor, nur putzige nutzlose Spielzeuge zu produzieren.
Stanislaw Lem ist einer der bekanntesten Schriftsteller, die sich schon ernsthaft mit dem Thema befasst hatten, als kaum jemand an Realisierbarkeit dachte.

Schon als ABC-Schütze (1946) war ich von "Dr.Kleinermacher" fasziniert; fast wie der angebliche Menschheitstraum vom Fliegen, aber durch das weite Anwendungsfeld von Dauerinteresse.
Also alles eher das Gegenteil von "Hype".
  butt | 06.12, 20:31
Glaubt irgendwer noch an den Unsinn,
wie leicht müßte es dann doch sein, einen praktischen Sprachcomputer zu entwickeln und wer immer einen derartigen ausprobiert hat, weiß, wie mühsam es ist, dem Computer auch nur eine Sprache, eine Stimme, beizubringen.

Da könnte man ja gleich Microsoft glauben, daß die Computer einfacher zu bedienen sind.
 
 
  hal8999 | 07.12, 10:13
Sprache und Stimme eher bewundernswert...
- aber eine tadellose Übersetzung englisch > deutsch wird es erst geben, wenn der Computer wirklich versteht was er tut.
Da hat sich seit 2001 (dem Film) nichts getan; wer meint Gründe zu kennen, dass sich da in den nächsten 10 Jahren was ändert, der soll sich melden.
Ich fürchte, dass eher unsere Sprache ausgestorben sein wird und dann wird die Übersetzung ja eh überflüssig.
  lightningchase | 07.12, 21:24
Neuronale Netzwerke.
Nun Leistung ist nicht alles, vom schnellen Rechnen wird kein Computer intelligent, aber es hilft. Wenn ich mir so die Faehigkeiten diverser dem Aufbau des Gehirns nachempfundener Datennetzwerke ansehe, so meine ich sehr wohl Entwicklung zu sehen. Der Computer bekommt "Unlogik" in den Griff, die Rechner koennen so programmiert werden, dass ie tiere oder sogar kleiere kinder tauschend simulieren. Um etwas so gut zu simulieren muss man (ah byte) die gedanken entsprechend denken - oder besser rechnen. Dazu gibt es herrliche selbstlernende und sich selbst verbessernde Programme. Ich meine es tut sich was, und gerade die Entwicklunbg lernfaehiger neuronaler netzwerke mit breitem Aufgabengebiet und ua. der Faehigkeit zur teilweisen Simulatiuon menschlichen Verhatens ist ein grisser Schritt. Lernffaehigkeit kann bedeuten, dass so manches von selber geschehen wird. uebrigens: Wenn ich denke wie lqnge MENSCHEN brauchen um fremde Sprachen gut zu uebersetzen...
  archilochos | 08.12, 11:39
@lightningchase | 07.12, 21:24
wär ja schon froh, wenn die Leute das nutzen würden, was schon seit Jahren gut funktioniert: die Rechtschreibprüfung!
Butt liegt mit seiner Kritik völlig richtig, da sie sich auf die im Artikel avisierten 10 Jahre bezieht.
Hinzu kommt, dass Begriffe mit völlig gegensätzlicher Bedeutung fast nicht übersetzbar sind: freak, nerd oder das gute alte deutsche Schimpfwort Schlampe.
  vurt | 09.12, 12:44
lt. futurezone vor 2 jahren oder so
hat die nsa bestätigt, dass sie über ein programm verfügt, dass sogar dialekte übersetzt.
also geben wirds sowas schon...
  sensortimecom | 06.12, 16:01
Na bestens...
Bis sich bei uns in Österreich interfakultäre Strukturen an den Unis bilden, sich also z.B. die kognitiven Wissenschaften mit Informatik, oder die Biologen mit Physik oder Nanotechnik zu befassen beginnen (was schon vor vielen Jahren hätte stattfinden sollen...) sind sie längst allesamt von den außer Kontrolle geratenen Nanorobotern eliminiert worden..;-)

E. B.
 
 
  lostrose | 06.12, 16:16
naja, vielleicht bleiben "wir" durch dummheit dank gehrer's "reformen" ja verschont.
 
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