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Neues aus der Welt der
Wissenschaft |
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Ludwig Feuerbach: Denker der Sinnlichkeit und Emanzipation
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Der Mensch als
selbstbewusstes Wesen, das seine Sinnlichkeit und Leiblichkeit als
zentrale Voraussetzung für ein geglücktes Leben ansieht - so lautet das
philosophische Programm von Ludwig Feuerbach. Den Ausgangspunkt jeder
Philosophie sollte der konkrete, soziale, sinnliche Mensch bilden, der
dogmatische Philosophien und Religionen ablehnt. Vor 200 Jahren, am 28.
Juli 1804, wurde Feuerbach geboren. |
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Selbstdenker außerhalb des akademischen Betriebs |
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Feuerbach war
Selbstdenker. Ähnlich wie Karl Marx, Arthur Schopenhauer, Friedrich
Nietzsche und Sören Kierkegaard entfaltete er sein Denken außerhalb des
akademischen Betriebs. Als eine Art "Försterexistenz" leistete er sich
den Luxus, vorgegebene philosophische Standards radikal in Frage zu
stellen, allerdings um den Preis einer wachsenden Isolation.
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Gegen die akademische Philosophie |
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Ludwig Feuerbach:
Ölgemälde von Karl Rahl, 1850 |
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Feuerbach, der sich
selbst als "Kommunist" verstand, wird auch heute noch von der
universitären Philosophie schlecht behandelt. Sie hat ihm seine
libertäre Haltung nicht verziehen.
Er, der sich über die subalterne Haltung der beamteten Philosophen stets
lustig machte und Hegel als "spekulativen Dalai Lama" bezeichnete, ist
noch immer persona non grata in den heiligen Hallen einer Philosophie,
die sich als theoretische Avantgarde der Menschheit versteht.
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Habilitation mit 24 Jahren |
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Geboren wurde Ludwig
Feuerbach am 28. Juli 1804 in Landshut als Sohn des angesehenen
Rechtsgelehrten Anselm Ritter von Feuerbach. Er besuchte das Gymnasium
in Ansbach und begann ein Studium der Theologie.
Er langweilte sich dabei und wechselte zur Philosophie. In Berlin hörte
er begeistert Vorlesungen von Georg Wilhelm Friedrich Hegel. 1828
promovierte er, habilitierte sich im gleichen Jahr und erhielt eine
Stelle als Privatdozent in Erlangen. |
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Lebenslanges Berufsverbot wegen Glaubensangriff |
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Diese akademische
Erfolgsgeschichte wurde durch eine Provokation Feuerbachs jäh
abgebrochen. Er hatte 1830 anonym ein Buch mit dem Titel "Gedanken über
den Tod und Unsterblichkeit" veröffentlicht, in dem er den christlichen
Glauben an die Unsterblichkeit angriff und empfahl, "den Tod als
vollständige Auflösung der menschlichen Existenz" zu akzeptieren.
Durch eine Indiskretion wurde seine Autorschaft bekannt und er erhielt
deswegen ein lebenslanges Berufsverbot. |
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Literaturhinweis
Die von Werner Schuffenhauer herausgegebene Gesamtausgabe der Werke
Feuerbachs erscheint im Akademie Verlag Berlin.
Christine Weckwerth: Feuerbach zur Einführung, Junius Verlag |
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Feuerbach-Gesamtausgabe
(BBAW) |
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Privatgelehrter mit Ironie auf dem Land |
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Seine Existenz als
Privatgelehrter wurde finanziell abgesichert durch die Heirat mit Bertha
Löw, der reichen Mitbesitzerin einer Porzellanfabrik. Feuerbach lebte
nunmehr zurückgezogen auf Schloss Bruckberg bei Ansbach.
Feuerbach kommentierte seine Situation voll Ironie: "Logik lernte ich
auf einer deutschen Universität, aber Optik, die Kunst des Sehens lernte
ich erst auf einem deutschen Dorf". |
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Zitat
Feuerbach: "Lass mich in Frieden, ich bin nur so lange etwas, solange
ich nichts bin." |
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Wider die Religion |
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Feuerbachs geschärfter
Blick befähigte ihn zu einer radikalen Religionskritik: "Die bestehenden
Religionen enthalten allerdings unzählig Widerliches und mit der
Wahrheit Unverträgliches".
1841 erschien sein Hauptwerk "Das Wesen des Christentums", in dem er die
Vorstellung von Gott als Projektion entlarvte. Weil der Mensch seine
Endlichkeit nicht akzeptieren kann - so Feuerbach - erfindet er sich ein
allmächtiges Wesen und glaubt an die Unsterblichkeit. |
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"Neue" Philosophie der Sinnlichkeit |
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Die radikale
Religionskritik Feuerbachs war die Voraussetzung für seine "neue"
Philosophie der Sinnlichkeit und Leiblichkeit. "Ich bin ein wirkliches,
sinnliches Wesen" - so schrieb er - "Der Leib in seiner Totalität ist
mein Ich".
Feuerbachs Betonung der Sinnlichkeit richtete sich gegen das körperlose
cartesianische "Ich denke". Dagegen stellt er den Satz: "Das Ich ist
beleibt". |
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Für
den Genuss - "Man ist, was man isst" |
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Feuerbach plädierte
auch für den Genuss: "Essen und Trinken hält Ich und Du zusammen". Auch
der Akt des Denkens ist von der Nahrungsaufnahme bedingt. Seine
Argumentation lautete: "Wo kein Fett, ist kein Fleisch, aber wo kein
Fett, da ist auch kein Hirn, kein Geist" und er zog folgenden Schluss:
"Das Sein ist eins mit dem Essen. Man ist, was man isst". |
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Philosophie der Liebe |
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Feuerbach entwarf auch
eine Philosophie der Liebe. In der Liebe sah er das Grundmodell
menschlicher Beziehungen, das "den Glückseligkeitstrieb des Menschen"
befriedigt. "Die Liebe des Anderen sagt Dir, wer Du bist", notierte
Feuerbach.
Er bezeichnete die Liebe als konstruktives, schöpferisches Prinzip.
Liebe ist für ihn das Potenzial, um dem Konkurrenzkampf der
kapitalistischen Gesellschaft Stand zu halten. |
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Zitat
Feuerbach: "Nur ein wirkliches Wesen, nur was Gegenstand der Sinne, ist
auch Gegenstand der Sinne, ist auch Gegenstand einer wirklichen Liebe.
Einem Wesen, das nur im Glauben, in der Einbildungskraft existiert, sein
Herz opfern heißt einer eingebildeten, imaginären Liebe die wirkliche
Liebe aufopfern." |
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Endspiel in Armut |
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Für sein radikales
Philosophieren bezahlte Feuerbach einen hohen Preis. Neben seiner
zunehmenden persönlichen Isolation kam noch die finanzielle Misere.
Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten musste die Porzellanfabrik seiner
Frau verkauft werden.
Feuerbach zog sich in einen Vorort von Nürnberg zurück, wo er immer mehr
verarmte und auf die finanzielle Unterstützung von Freunden angewiesen
war. Am 13. September 1872 starb Feuerbach nach einem Schlaganfall.
Niki Halmer, Ö1-Wissenschaft
science.ORF.at |
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Mehr
zum 200. Geburtstag von Ludwig Feuerbach in den Ö1-Dimensionen, am 28.
Juli 2004, 19.05 Uhr in Radio Österreich 1. |
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Ö1 |
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