Erzwingt Patentierbarkeitskrise eine neue Weltordnung? sensortimecom 16.10.2000
"ich gehe auf die Nerven, also bin ich"
Situationsbericht 1998
Was
wir am Beginn des 3. Jahrtausends am Nötigsten brauchen würden,
wären gerechte und funktionsfähige Instrumente zum Schutz
geistigen Eigentums. Sowohl in Hardware- als auch in Software-Bereichen
mehren sich die Anzeichen
von "Patentierungs-Chaos". Gibt es einen Ausweg aus
dieser Krise?
Jeder intelligente
Mensch, der unselbständig tätig ist oder war, weiß, wie es mit "Schutz geistigen Eigentums" bestellt ist. Wem gehört
z.B. seine Idee einer Produktverbesserung? Ihm selbst oder der
Chefetage? Na also! Er unterliegt jenem ultimativen
Management-Prinzip, das kurz und bündig heißt: DENKEN LASSEN, um
die Früchte fremden Gedankengutes selber zu ernten. Dieses
"Denken lassen" wurde zur höchsten Kunst der Ausbeutung
des Menschen durch den Menschen. Es breitete sich wie
Krebsgeschwüre in
allen Lebensbereichen aus. Dass der Schutz geistigen Eigentums ein
gottgegebenes Naturrecht ist, das dem Schutz materiellen Eigentums
um Nichts nachsteht, wurde bewusst ignoriert. Da jedoch, wie ein
altes Sprichwort sagt "Unrecht Gut nicht gedeiht", hat die
Menschheit für diese Praktiken nun weltweit die Folgen zu
tragen. Der Niedergang des internationalen Patent- und
Lizenzwesens, die Strukturkrisen der letzten 20 Jahre,
Unsicherheit an den HiTech- Börsen, Flucht in Gen- und Biopatente, Rationalisierungswellen in den
Betrieben, zunehmender Frust und Stress: Vieles davon hängt zusammen mit der
Ignorierung der Fakten, dass dem Schutz kreativer Ressourcen
dieselbe Bedeutung zusteht wie dem Schutzöko-logischer Ressourcen!
Das totale Versagen des Patent- und Lizenzwesens
Dieser wichtigste Grund für die gegenwärtigen
Weltprobleme blieb lange Zeit verborgen und nichtbeachtet. Kritikern, die
davor warnten, wurde der berühmt/berüchtigte Leiter des US Patent Office
entgegengehalten, der angeblich vor mehr als 100 Jahren das Patentamt
schließen wollte, weil eh schon "alles erfunden worden ist". Dieser immer
wieder falsch zitierte Mann - er hieß Henry Ellsworth - war in Wahrheit
einer der weitblickendsten Denker, die es je gegeben hat. Er sagte bei einem
Hearing vor dem US-Kongress wie folgt (nachzulesen im Buch "An den Grenzen
des Wissens" von John Horgan): "Der jährliche Fortschritt der Technik stellt
unseren Optimismus auf eine harte Probe und scheint den Beginn jener Epoche
anzukündigen , in der der menschliche Erfindergeist versiegen wird..." Mehr
als ein Jahrhundert später steckt das Erfindertum tatsächlich in einer
schweren Krise. Wer mit dem Patentwesen nicht befasst ist glaubt, dass die
große Häufung von HiTec-Produkten der letzten Jahre ebenso mit einer Häufung
von rechtsbeständigen und wirksamen Patenten einhergeht - dem ist aber nicht
so. In Wahrheit nimmt die Zahl der Basispatente (in den USA "core patents"
genannt) immer mehr ab, und die Qualität der Schutzrechte sinkt. Viele
Länder beklagen auch eine generelle Abnahme von Patentanmeldungen. In den
meisten Fällen gehen sogenannte "neue" Hitec- Produkte auf Ideen zurück, die
älter als 10 Jahre sind. Von dieser Krise ausgenommen sind zur Zeit noch
Branchen wie Umwelttechnik, Sportartikel und Freizeitindustrie, vor allem
aber Medizin, Pharmaindustrie, Gen- und Biotechnik. Im Durchschnitt liegen
aber die Chancen eines Einzelerfinders, sich mit einer patentierten Idee -
mag sie noch so gut sein - erfolgreich am Markt zu behaupten, unter 2%.
Von dieser Krise betroffen sind Einzelerfinder und Jungunternehmer ebenso
wie Multis und Global Player, die bisher glaubten, sich mit
"Patentanmelde-Orgien" die Konkurrenz vom Leibe halten zu können. Manche
Konzerne wie Siemens oder Philips halten Tausende Patente. Ein Rekordhalter
ist z.B. die österreichische Bahnbaufirma Plasser & Theurer, die mit
etwa 35 Konstrukteuren mehr als 7500 Patente ihr Eigen nennt. Häufig
basieren solche Patent-Pyramiden auf einem sogenannten "Ursprungs-Patent",
einer Ersterfindung, auf die immer wieder neue kleine Verbesserungen
angemeldet werden. Ist aber ein solches Ursprungspatent einmal aus dem
Rennen, sei es durch Verbesserung des im Schutzbegehren ausgewiesenen
Standes der Technik, oder durch ein Nichtigkeitsverfahren, so war alle Mühe
vergebens; die "Pyramide" bricht zusammen und die Firma ist der Konkurrenz
aus aller Welt hilflos ausgeliefert. Ein Einzelerfinder kommt allerdings
ohnehin nicht so weit. Meldet er seine Erfindung in den wichtigsten
Industrieländern zum Patent an, so kostet ihn dies stattliche 100 000 DM.
Von einer Patent-Pyramide kann dieser Mann daher nur träumen... Was Groß-konzerne
anbelangt, so haben sie schon lange durchschaut, dass in den mecha-nistisch/elektronischen
Bereichen kein ausreichender Patentschutz mehr gegeben ist. Sie setzen
entweder auf die Devise "speed kills", d.h. bei Forschung, Entwicklung und
Vermarktung schneller zu sein als die Konkurrenz, oder sie begeben sich
unter die schützende Hand des Staates und seiner Lizenzen (siehe z.B. UTSM-
Frequenzen, für die Unsummen geboten werden), oder sie gliedern die
Produktion mechanistischer Waren in Billiglohnländer aus und setzen vermehrt
auf Pharmazeutik, Gen- und Bio-technologie. Im
Gegensatz zu mechanistischen Patenten, wo die exakte Beschrei-bung
des Standes der Technik im Patentanspruch oft sehr komplex ist, benötigt man
bei Pharma- oder Biopatentennur wenige Zeilen chem. Formeln oder DNA-
Sequenzen, um zu einem fabelhaften Patent zu kommen. Solche Patentansprüche
bieten einen Rechtsschutz, von dem sogar ein Edison oder Marconi seinerzeit
hätte träumen können. Infolge dessen pervertiert das Patentwesen immer mehr;
nicht nur Gene von Pflanzen und Tieren werden patentiert, sondern auch
menschliche Embryonen; ja sogar Chimären. Ein Biotechnologie-Konzern hat
nach Zeitungs-meldungen sogar einen kompletten, in Südafrika beheimateten
Volksstamm zum Patent angemeldet; und da amerikanische Wissenschaftler
bekanntlich den Antrag gestellt haben, mittels einem dem "Turiner Grabtuch"
entnommenen Blutstropfen Christus zu klonen, ist mit Sicherheit anzunehmen,
dass sie auch auf Jesus Christus ein Patent anmelden werden...
Von Edison bis Craig Venter - ein endloses Band dubioser Praktiken
Der wahre Grund für das Versagen des Patentwesens
liegt darin, dass man es verabsäumte, die Patentgesetze und Gepflogenheiten
kontinuierlich neuen Erkenntnissen anzupassen.Wäre Henry Ellsworth ernst
genommen und nicht der Lächerlichkeit preisgegeben worden, so hätte man
Erfindern mit wichtigen Grundlagenpatenten eine rechtliche Sonderstellung
eingeräumt, und ihre Patente nicht gleichgestellt mit Trivial- oder
Pyramiden- Patenten. Eine Evaluierung der erteilten Patente hätte jedoch die
Kompetenzen der Patentämter überfordert; und den Mehraufwand durch
Verpflichtung hochqualifizierter Wissenschaftler als Prüfer wollte man sich
ersparen! Wichtige Grundlagenerfindungen kamen oftmals von genialen
Individualisten bzw. Außenseitern, und nicht von Forschungsteams. Wer daran
zweifelt, möge sich bitte einmal in den Lesesälen der Patentämter umsehen. A
propos: obwohl unzählige Patentschriften bereits im Internet abfragbar sind,
kräht kein Hahn danach! Jeder Erfinder, der hofft, dass auf diese Weise
jemals wer zu ihm kommt, um ihm ein Angebot zu unterbreiten, kann getrost
mit Max Raabe's Palast-orchester singen: "Kein
Schwein ruft mich an, keine Sau interessiert sich für mich"- auch wenn die
Erfindung noch so gut ist! Ein weiterer Grund für den Niedergang des
Patentwesens sind seine menschenverachtenden Praktiken. Viele Erfinder
wurden von gewissenlosen "Experten" und "Beratern" auf smarte Weise um ihre
Reche gebracht, Anwälte favorisierten finanzkräftige Klienten, die
ihrerseits meist in endlose Patentstreitigkeiten verwickelt waren, was gute
Honorare einbrachte; Diensterfinder wurden zu rechtlosen "Denkknechten"
degradiert, wichtige Patente wurden oft von Leuten ausgeübt, die weder über
intellektuelle noch moralische Kompetenz verfügten; und schließlich gab's
noch den Überhammer: die
per Patentgesetz gedeckte ENT-EIGNUNG,
die es erlaubte, dem Erfinder die Rechte ohne Zustimmung (ja sogar ohne sein
Wissen!) bei Nacht und Nebel zu nehmen! Der Staat schuf sich mit der gesetz-lichen
Enteignung eine Hintertür, mit der er praktisch jede Schandtat gegenüber
einem Erfinder, dessen Patentanmeldung irgendeiner Forschungsinitiative oder
staat-lichen bzw. staatsnahen Interessen
entgegenstand, rechtfertigen konnte! Das besonders Infame daran: von
Enteignung betroffen konnten immer nur wichtige Basiserfindungen sein, die
nicht zu umgehen oder zu verbessern waren - denn sonst wäre eine Enteignung
ja nicht erforderlich geworden! Ein solchermaßen "Enteigneter" hatte zwar
theoretischen Anspruch auf Entschädigung, aber kaum eine Chance, sich gegen
die Praktiken zu wehren - er wäre nie und nimmer ernst genommen worden!
Dafür gibt es eine einfache Logik: Erklären sie mal zu einem Zeitpunkt einem
Rechts-anwalt oder Journalisten, dass Sie es sind,
der die erste optisch lesbare Speicher-platte
erfunden hat - wo es diese CD-ROM (die wir jetzt nach 20 Jahren als solche
kennen, die aber der Erfinder in seiner Patentschrift anders benannte) noch
gar nicht auf dem Markt gibt! Wie hätte Sie ihr Gesprächspartner, der noch
dazu kein Fach-mann ist, jemals ernst nehmen
können? Sie waren vom dem Tag an unglaubwürdig geworden! Nicht um die
Intelligenz von Einzelerfindern zu fördern, sondern um sich vor deren
Genialität zu schützen, waren derart raffinierte und abstruse Praktiken
ersonnen worden. Gott allein weiß auf welche Weise und wie oft von solchen
Enteig-nungen Gebrauch gemacht und wie viele
Erfinder auf heimtückische Weise um ihre Rechte gebracht wurden! (In den
früheren sozialistischen Ländern trieb man es mit der Enteignung von
Erfindern besonders bunt, und es gab regen "Technologie-Transfer" mit dem
Westen. Lesen Sie dazu die Story des Erfinders
Wolfhart Willimczik).
Tatsächlich hat man auf Betreiben der
Vereinigten Staaten und der WTO vor einigen Jahren diese Gepflogenheiten
durch ein internationales Abkommen (TRIPS) gemildert, und die Patent-
Enteignungsgesetze durch "Zwangslizenz-Gesetze" ersetzt: Dies erspart einem
Einzelerfinder wenigstens, selber zum Verletzer seines eigenen Patents zu
werden! Anmerkung: Der wahre Grund für diese Abkommen dürfte aber nicht
Philanthropie sein, sondern die Erkenntnis, dass sich Enteignungen nicht
mehr lohnen, weil eh schon alles Wichtige "genommen" wo
Aber auch im Normalfall wurde es für einen
Einzelerfinder, der über geringe finanzielle Mittel verfügte, immer
schwieriger, seine Rechte geltend zu machen. Falls er es auf eigene Faust
wagte, auf Patentverletzungen aufmerksam zu machen, durfte er sich auf
Feststellungsklagen und Drohungen von Anwälten gefasst machen. Auch war es
ihm in der Praxis unmöglich, Lizenzen zu vergeben. Er hätte dazu oftmals den
Nachweis der Rechtsbeständigkeit seines Patents erbringen (d.h. einen
Patentstreit gewinnen) müssen, was schon deshalb schwer möglich ist, weil
sich jeder Patentanwalt davor hütet, für das Gericht ein positives
Sachverständigen- Gutachten auszustellen. So blieb dem Erfinder meist nur
der dornige Weg, den Gegenstand seiner Erfindung selber zu entwickeln und zu
vermarkten, was dann an mangelndem Eigenkapital oder auch an behördlichen
Schikanen, z.B. Verweigerung der Gewerbeberechtigung, scheiterte...
Das Patentrecht wurde auf diese Weise immer mehr
zum Privileg des finanzkräftigen Konzerns, der imstande war, seine Anwälte
gut zu honorieren. Das Resultat: Es taten sich im Laufe der Zeit immer mehr
"schwarze Löcher" auf - Technologien, denen keine gültigen Patente mehr
gegenüber standen. Die Geltungsdauer eines Patents beträgt im Durchschnitt
18 Jahre; läuft es aus und findet sich kein im Patentregister eingetragener
Erfinder mehr, der die rechtliche Möglichkeit hätte, es weiterzuentwickeln
und Verbesserungen auf den Erst-Patentanspruch anzumelden, so ist der
Produzent hilflos der Konkurrenz ausgesetzt. Die unmenschliche Patentpraxis
und die Tatsache, dass sich Großbetriebe durch ewige Patentstreitigkeiten
und Nichtigkeitsklagen selber um ihre Rechte brachten, wurde zum Bumerang:
Immer mehr Nachahmungen kamen aus Billiglohnländern, die Importeure blieben
ungestraft, es kam zu unaufhaltsamen Preisverfall in vielen Technologien,
und eine kuriose Situation trat ein: Die menschliche Gesellschaft hat nun
jenen Preis zu zahlen, der den bestohlenen und betrogenen Einzelerfindern
und Patentinhabern vorenthalten worden war...
Grenzen der Patentierbarkeit von Hard- und Software
Die großen
Schwierigkeiten, die zur Zeit die sogenannten "Wachstumsindustrien" haben
(man denke an den Crash der Nasdaq-Börse im Mai d. J., die Hysterie am
"Neuen Markt", oder die Verluste der japanischen Nikkei-Aktienbörse etc.)
sind fast ausnahmslos die Folge des mangelnden Patent- und
Innovationsschutzes für neue Produkte; vor allem in den Computer- und
Elektronik-Branchen. In vielen Bereichen ist inzwischen tatsächlich eine
Erschöpfung der patentierbaren intellektuellen Ressourcen und ein rasanter
Preisverfall eingetreten. Ein Computer der neuesten Generation rechnet zwar
100mal schneller und verfügt über mehr als die 300-fache Speicher-kapazität
als vor 10 Jahren, dennoch findet sich kaum ein ausreichend patentierbares
Hardware-Element. Über Versandkataloge und Internet verkaufen
Elektronik-Händler Produkte zu Schleuderpreisen, an deren Entwicklung noch
vor kurzem hochbezahlte Ingenieure unter größtem Einsatz gearbeitet haben.
Ein tragbarer CD- Player, dessen Entwicklung viele Mill. DM verschlang,
kostet heute weniger als ein Abendessen in einem guten Restaurant. Manche
Produkte verschwanden vollkommen vom Markt, nachdem die Verpackung mehr
kostete als das die Ware selbst. Solche Exzesse als Teil einer natürlichen
evolutionären Entwicklung des technischen Fortschritts be-trachten
zu wollen, ist wohl das Dümmste! Auch das früher oft geäußerte Argument,
dass in Hinkunft die Patentierung von Hardware weniger Rolle spielt, dafür
aber der Schutz von Software-Design, zieht nicht mehr. Je näher nämlich
Technologien dem "Endziel", der Schaffung virtueller Welten, artifizieller
Intelligenz und "künstlichem Leben" kommen, desto mehr gleichen einander die
Software-Algorithmen und Befehls-zeilen - ja in
letzter Konsequenz verschmelzen sogar Hard- und Software miteinander, wie
dies aus der Patentanmeldung EP 99123284.4 des Autors hervorgeht. Deutlich
wird dies auch bei digitalen Sampling- Technologien wie MP3, bei der ein
kompletter Recorder aus einem Chip besteht. Die darin enthaltene
Basistechnologie ist schon mehr als 20 Jahren alt. Sie reduziert sich im
Wesentlichen auf digitale Zeitmessung, Zeitdaten-Speicherung und
Komprimierung. Selbstverständlich reduziert sich auch die dafür entwickelte
Software auf Zeitmess-Algorithmen; und es muss jedem vernünf-tigen
Techniker klar sein, dass man ZEIT nicht fortgesetzt auf verschiedene bzw.
neue Weise digital messen, und ein einmal auf Sampling- Technologie
erteiltes Patent nicht immer wieder verbessern oder umgehen kann. Da auch
das biologische Lebens-prinzip selber auf
Verstreichzeitmessung und Zeitvergleichs- Algorithmen basiert, kann auch
LEBEN - sei es nun biologischer oder artifizieller Natur (z.B. Roboter)
nicht immer wieder als "Neuheit" oder "neuer Stand der Technik" zum Patent
angemeldet werden. Daran wird sich auch in den nächsten Jahrtausenden nichts
ändern....
Wie geht es nun weiter?
Was hätte man schon vor vielen Jahren in den wichtigsten
Industrieländern wie USA, Europa und Japan gegen die Patentierbarkeits-Krise
tun sollen? Man hätte die ver-dammte Pflicht
gehabt, alle Erfinder, die als Solche im Patentregister eingetragen sind und
welche über wichtige Basispatente verfügen, im Interesse der gesamten Mensch-heit
und nicht im nationalen Interesse (auch nicht im Interesse eines Konzerns
oder einer Forschungs- Initiative) rechtzeitig und gerecht bei ihren
Bemühungen zur Erreichung eines optimalen Patentschutzes und einer
uneigennützigen Patentaus-übung - auch für die
resultierenden Folgeanwendungen der Ursprungserfindung - zu unterstützen;
das Patentrecht laufend den Erfordernissen anzupassen; und die erteilten
Patente amtlicherseits zu evaluieren. Beispiele dafür sind wichtige Basis-technologien
wie Sampling, Scanning, OCR, Sequenzing, Laser, Abstandssensoren,
GPS-Technologien usw. Da dies nicht geschehen ist, werden wir weiter mit der
Krise leben müssen. Der japanische Vize-Finanzminister Sakakibara, der
offenbar erkannte, wie sehr der Ferne Osten - der voll auf Hi-Tech als
allein selig machende Zukunfts-perspektive gesetzt
hatte - von der Patentierbarkeits-Krise betroffen ist, sagte in einem
Spiegel-Interview: Dies ist keine "asiatische Krise", nein; es ist DIE KRISE
des globalen Kapitalismus schlechthin." Um es deutlicher zu sagen: Es ist
die fundamen-talste wirtschaftliche und soziale
Krise, die die Welt je gesehen hat. Sie wird in den nächsten Jahren mit
absoluter Sicherheit auf alle Staaten übergreifen, und es wird keine Politik
geben, die ihr Einhalt gebieten kann. Einige Vorboten aus dem sich
abzeichnenden Desaster sehen wir bereits jetzt: Stetiger Werteverfall,
fortschrei-tender Imageverlust bei technischen
Berufen, frustrierte Studenten, Arbeitslosigkeit und
Outsourcing selbst bei
höchstqualifizierten Leuten, unmenschlicher Stress im Alltag, Psychoterror
und Mobbing am Arbeitsplatz, Depressionen, Selbstmorde usw. Viele Opfer sind
Kleinunternehmer und Einzelerfinder, die im Vertrauen auf die Wirk-samkeit
teuer erworbener Patentrechte ihre Ersparnisse investiert, Kredite aufgenom-men
und Firmen gegründet haben. Sie müssen oftmals hilflos zusehen, wie sie belo-gen,
bestohlen und betrogen worden sind, und wie manche Importeure mit ihren
Ideen gutes Geld verdienen. Die Krise beim Schutz geistigen Eigentums wirkt
sich selbstverständlich auch auf das Finanzwesen und die Aktienbörsen aus.
Unzähligen kaum oder gar nicht geschützten Produkten (siehe
Software-Industrie) stehen wenige core patents (strategische
Schlüssel-Patente) gegenüber, die manchmal wir ein Damoklesschwert über
diesen Produkten hängen. Ein Beispiel dafür ist das kürzlich aus dem
"Nichts" aufgetauchte
Patent auf Hyperlinks des GB Post Office. (Das schon
längst enteignet worden wäre, würde es im Besitz des Erfinders sein;
Anmerkung des Verfassers!). Da der Profit immer weniger mit "business as
usual" gemacht wird (schlecht patentierfähige Produkte bringen ja kaum
Gewinn), sondern mehr und mehr mit dubiosen Termin-, Devisen- und Options-
Geschäften, gerät die gesamte inter-nationale
Finanz- und Börsenstruktur in Schieflage. Viele Aktien der sogenannten
"Technologie- und Wachstumsbranche" sind überbewertet. Um die Aktienkäufer
bei Laune zu halten, sind die Konzerne ihrerseits gezwungen, in
Spekulationsgeschäfte zu investieren. Zur Zeit rechnet man mit einem
weltweiten Überhang von hochspeku-lativem, nicht
in Produktion investiertem Kapital in der Höhe von zehn Billionen Dollar.
Reißt der Faden einmal ab, kommt es zu einem Crash gigantischen Ausmaßes.
Das besonders Fatale an der Situation ist aber, dass die entstandene
Situation weder zu stabilisieren noch aus der Welt zu schaffen ist.
Wirtschaftswissenschaftler haben vielleicht ein Rezept, wie man eine
temporäre Rezession bekämpft; aber sie haben keine Antwort auf die
Patentierbarkeitskrise...*
In wenigen Jahren werden durch neue biologische,
gentechnische und medizinische Erkenntnisse großartige positive
Veränderungen für die Menschheit zu erwarten sein. Die Lebenserwartung wird
rapide steigen; "Forever young" ist keine Utopie mehr. Sollte sich die
Menschheit diese Chancen durch ein antiquiertes und perverses Patentwesen
vermie-sen lassen? Soll sie Lizenzgebühren auf
LANGES LEBEN zahlen müssen, während sie wegen nicht-schützbarer
mechanistischer Produkte vor die Hunde geht? Die einzige Antwort darauf,
auch wenn sie sehr kühn ist: es muss eine neue gerechte und humane
Weltordnung installiert werden, mit einer globale
Institution zur gerechten Verteilung der noch verbliebenen bzw. noch
rekrutierbaren intellektuellen
Ressourcen. Da nicht anzunehmen ist, dass eine solche Weltordnung durch
rationales menschliches Kalkül herbeigeführt wird, bleibt nur die
Möglichkeit, dass sie sich von selber durch den Druck der Sachzwänge
ergibt...