Der Niedergang des Patentwesens sensortimecom 27.09.2011
"ich gehe auf die Nerven, also bin ich"
Ich bin schon ein alter Hase, und war bereits vor vielen Jahren dabei, als der erste
"mobile Rechner" (ein PDP-8 von Digital Equipment Corp.) auf einem Messtrieb-
wagen in Linz eingesetzt wurde, um die Gleisgeometrie zu vermessen. Österrei-
chische Entwicklung. Unbekannt geblieben. Was soll`s...
Es geht darum, dass die heute aus HTL und FH kommende "Software-Generation"
so fürchterlich verarscht wird, ohne dass sie es überhaupt merkt. Mir stellt es dabei
die Haare auf. Da wird ihnen erzählt, wie zukunftsträchtig alles ist, wie kreativ man
sei, wie gut man verdienen kann, und überhaupt: seht euch doch die Großkonzerne
X und Y an, die haben in Scheunen und Garagen zum Werkeln angefangen.. könnt
ihr doch auch, euch stehen alle Wege offen…
Nun denn.
Leute wie Steve Jobs, Steve Wozniak, Paul Allen, Bill Gates usw. profitierten davon,
dass die Patentierung - und somit Monopolisierung - von Software und rein
konzeptuellen Modellen damals AUSGESCHLOSSEN war. Die Patentämter verlangten
seinerzeit handfestes Technisches. Somit brauchten diese Leute auf bestehende
Rechte keine Rücksicht nehmen.
Eng wurde es dann, als die ersten Konkurrenten auf den Markt kamen und ver-
suchten, ihre Software-Entwicklungen zu schützen. Bis Mitte der 80er sträubte
man sich, dann erlaubte das USPTO die Software-Patentierung. Es kamen die
fürchterliche Trivialpatente wie das "One-Click-Patent" von Bezos (Amazon).
Ergo mussten Großkonzerne wie Apple, Microsoft, Sun etc. nachziehen, und
begannen, ZEHNTAUSENDE von SW-Patente anzumelden.
Nun sahen die internationale Finanzhaie grünes Licht. Der Horror folgte. Alles
stürzte sich wie wild auf die IT- und Internet-Start-Ups, deren Aktien bis 2000
in schwindelerregende Höhen stiegen. Als die Investoren dahinter kamen, dass
die meisten Bilanzen der Start-Ups gefaked waren; die angeblichen Patente
nicht existierten und/oder wenn welche existierten, sie wertlos waren - weil
Trivialitäten und Schnee von gestern - kam es zum CRASH. Die Aktien der
NewEconomy fielen 2001/2002 ins Bodenlose. Die gesamte Forschungs-Szene
verfiel weltweit in Depression; die großen Zukunftshoffnungen verschwanden. Am
schwersten betroffen von der Krise war Japan, das bis dahin fortschrittlichste
Land...
Die USA suchten nun nach Auswegen, um die Wirtschaft wieder zu beleben und den
Aktienmarkt anzukurbeln. Auf zwei Arten:
a) durch militärische Aktionen
Irak- Krieg, Afghanistan usw. Dadurch sollte das Vertrauen in ein starkes Amerika
wieder hergestellt werden, und die Börsenkurse sollten auf breiter Front steigen.
b) durch exzessive Ausweitung der Finanzindustrie.
Das führte zu einer nie dagewesenen Spekulations-Orgie in Immobilien und "neuen
Finanzinstrumenten" (Derivate, Zertifikate etc.). Der Finanzsektor machte bald bis
zu 80, 90% des gesamten BIP aus, und verdrängte den Realwirtschafts-Sektor
komplett. Das spürt z.B. jeder Software-Frickler heute am eigenen Leib, denn
seine kreative Tätigkeit müsste ja - wenn es halbwegs gerecht zuginge - das 10-
fache finanziell erbringen, um mit einem Bankangestellten auch nur einigermaßen
Schritt halten zu können. Von deren Chefs ganz zu schweigen.
c) Durch Wiederbelebung der "OldEconomy"
Das ging nicht so einfach. Ressourcenmangel und zunehmende CO2-Probleme
zwangen dazu, fast ausschließlich den Immobiliensektor zu forcieren (Schwer-
industrie blieb der Dritten Welt vorbehalten). Das geschah in exzessiver Weise.
In den USA stiegen die Immo-Preise zwischen 1998 und 2006 jährlich um 10 - 15%.
Siehe chart:
Diese Orgien führten in der Folge zum CRASH des gesamten Finanzwesens des
Jahres 2008, der bis zum heutigen Tag andauert und den Höhepunkt noch lang
nicht erreicht hat.
Die Subprime-Immobilienblase platzte, die Derivatenblase ebenfalls, die Bankaktien
fielen ins Bodenlose, viele Banken gingen pleite (darunter die riesige Lehman-
Brothers), die Staatsschulden aller Länder explodierten weil man die Banken vor
dem Zusperren bewahren musste, der Interbankenhandel ging k.o., schließlich
kamen auch noch die Staatsanleihen ins Trudeln, was z.B. die Griechenland- und
PIIGS-Krise in Europa auslöste.
Weiterhin aber galt: Für die Finanz- und Bankenszene bist du als Software-
Frickler oder auch Hardware-Techniker das Allerletzte vom Letzten. In der
Rangordnung knapp über dem Container-Stierler...In der internationalen Geschäfts-
welt zählen, was die IT-Branche betrifft, einzig und allein einige börsen-notierte
Großkonzerne wie Apple, Samsung, Microsoft, Google etc., die seit 10, 12 Jahren
hunderttausende(sic!) Trivialpatente angemeldet haben, und die sich mittels teurer
und cleverer Anwälte Patent-Prozesse in Milliarden-Höhe liefern können.
Abschließend noch zur Frage:
"Was ist überhaupt ein "Software-Patent"?
Viele glauben, dabei handelt es sich um ein in einer bestimmten Computersprache
geschriebenes Programm, das auf einem Prozessor laufen soll. Beispielsweise ein
"neuartiges" Textverarbeitungs-Programm, das patentiert werden soll, und das dem
Patentamt "vorgelegt" wird...
Mitnichten! Bei sog. "SW-Patenten" handelt es sich fast ausschließlich um pure
Konzepte, die mit irgend einer Computer-Sprache überhaupt nichts gemein haben.
Solche Ideen bzw. Konzepte entstehen oft bei Treffen zwischen Konzernchefs,
Anwälten und Verkäufern im 5-Sterne-Hotel. Ein Patentanwalt bekommt ein paar
Notizen und kriegt den Auftrag, das in eine Patentschrift samt Schutzbegehren
umzusetzen...